Vor einigen Jahren bin ich durch den Sirius Bleistift Nr. 2 auf die Bleistiftproduktion der Leipziger Pianofortefabrik in Böhlitz-Ehrenberg in der ehemaligen DDR aufmerksam geworden. Da es mich gewundert hat, dass es Bleistifte von einem Klavierhersteller gibt, habe ich mich auf eine Spurensuche begeben und die Augen offengehalten. Nun konnte ich Bleistifte und einen Kopierstift der Marke „Turm“ bekommen, die ebenfalls aus der Leipziger Pianofortefabrik stammen.
Der Turm ist natürlich der des Gebäudes in der Ludwig-Hupfeld-Straße in Böhlitz-Ehrenberg, in dem die Leipziger Pianofortefabrik ihren Sitz hatte, und ich finde es sehr schön, dass man ihn auf den Bleistiften abgebildet hat. Ich weiß nicht, wie alt die Bleistifte sind, gehe aber angesichts ihrer Gestaltung davon aus, dass sie aus der Frühzeit der Produktion, d. h. aus den späten 1940er oder frühen 1950er Jahren stammen.
Oktober 2019
Es fällt auf, dass es den Schriftzug „Turm“ und die stilisierte Darstellung in zwei Varianten gibt. Zudem enthält der Prägedruck mit dem detaillierten Turm die Kennzeichnung „LPF LEIPZIG“ und das Zeichen für den Volkseigenen Betrieb (bei den Exemplaren im Bild leider schlecht erkennbar; zu sehen u. a. hier). Der Kopierstift trägt außerdem die Blindprägung „ZEDER“. – Gestet habe ich bisher nur den Turm Steno, und der birgt einige Überraschungen (dazu bei Gelegenheit mehr).
Das Fabrikgebäude im Jugendstil wurde 1911 vom Leipziger Architekten Franz Hänsel für den Instrumentenhersteller Ludwig Hupfeld (1864–1949) erbaut, der dort mit 1300 Beschäftigten Klaviere und Phonolas fertigte. Nach dem ersten Weltkrieg galt das Unternehmen mit mehr als 20.000 Instrumenten pro Jahr als größter Hersteller dieser Branche in Europa, doch mit dem Aufkommen von Schallplatte und Rundfunk wurde es immer schwerer, die selbstspielenden Instrumente zu vertreiben; mit der Wirtschaftskrise im Jahr 1929 endete die Herstellung elektrischer Selbstspielinstrumente. Ab 1930 wurden in Böhlitz-Ehrenberg Kinoorgeln, Plattenspieler, Rundfunkempfänger sowie Möbel für Wohn- und Schlafzimmer und während des zweiten Weltkriegs Flugzeugteile hergestellt. 1949 erfolgte die Umwandlung des Unternehmens zum Volkseigenen Betrieb, in dem pro Jahr 21.000 Klaviere gefertigt wurden. Nach der Wende setzte man die Produktion von Klavieren unter den Markennamen „Rönisch“ und „Hupfeld“ fort, doch 2009 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.
März 2023
Heute beherbergt das Gebäude, seit 2009 das Hupfeld-Center, einige kleine Unternehmen, und vom Betreiber konnte ich erfahren, dass die Immobilie der AGH-Trade GmbH gehört und die Baumaßnahmen der Erhaltung des Turms dienen. – Einen Rundum-Blick bietet Google Earth.
März 2023
Bis auf das unter „Spurensuche“ aufgeführte konnte ich bis heute keine weiteren Details zur Bleistiftherstellung in der Leipziger Pianofortefabrik finden. Auf Georg Büttners Bleistiftseiten, die leider schon lange nicht mehr online sind, hieß es 2009: „In der Leipziger Pianoforte Fabrik (LPF) von Ludwig Hupfeld wurden nach 1945 neben Möbeln und Sportgeräten auch Bleistifte hergestellt. Wie lange dort produziert wurde ist nicht bekannt.“ Dazu waren zwei Bleistiftschachteln von etwa 1950 zu sehen. Interessant bleibt auch der Kommentar meines Lesers Balzer vom Februar 2009, in dem er schrieb, dass die Fertigung lange vor der Konsumgüterproduktion begann, weil es in der DDR zwar Bedarf für Bleistifte gab, aber keinen Hersteller. Die Pianofortefabrik hatte Holzabfälle und Holzbearbeitungsmaschinen, so dass der Produktion nichts im Wege stand. Die Minen, so seine Vermutung, kamen von Koh-I-Noor aus der damaligen Tschechoslovakei.
Mit dem Holzwarenfabrikanten Karl Knobloch in Steinigtwolmsdorf (Oberlausitz, gegründet 1896) gab es ab 1949 den zweiten Hersteller von Blei- und Kopierstiften in der DDR, der im Gegensatz zur Leipziger Pianofortefabrik auch Farbstifte im Sortiment hatte. Die Produktion endete erst 1990, und so sind die unter den Namen „Saxonia“ und „Lusatia“ angebotenen Stifte zuweilen auch heute noch finden. Diese werden Thema eines zukünftigen Beitrags sein.