Rot-Blau-Stifte
Holzgefasste und mechanische Stifte, die eine rote und eine blaue Mine vereinen
STAEDTLER 30197
Ein ungewöhnlicher Fund: Der Rot-Blau-Stift STAEDTLER 30197.
Ungewöhnlich deshalb, weil er seinen vorgesehenen Verwendungszweck trägt und dieser obendrein in Schwedisch ist.
Der runde „Studiums Korrigeringspenna Röd/Blå“, also „Studiums-Korrekturstift Rot/Blau“, stammt der Form des Marskopfes nach aus der Zeit von 1963 bis 1973. Dass es nur „GERMANY“, nicht aber „Made in Germany“ heißt, legt die Vermutung nahe, dass er außerhalb Deutschlands hergestellt wurde. Bemerkenswert ist auch die fünfstellige Artikelnummer, passt sie doch nicht zu den von STAEDTLER gewohnten. Da lohnt sicher eine Recherche!
Kurz notiert
- Die kürzlich veröffentlichten Patente „Mechanical Pencil“ und „Mechanical Pencil“ (ja, die heißen beide so) zeigen Details zum Druckbleistift Kuru Toga Dive von Mitsubishi/uni Japan. – Danke an Wowter für den Hinweis!
- Für mich eine überaus erfreuliche Entdeckung ist das sehr lesenswerte Buch „Aktenkunde“ von Harald Rösler, erschienen 2015 bei Rediroma1. Neben zahlreichen Details zur Arbeit mit Akten enthält es umfangreiche Informationen zu Bürogeräten und -material zum Lochen, Heften, Binden und Organisieren, aber auch zu Schreibstoffen und zur Vervielfältigung; darüber hinaus bietet es viele Abbildungen historischer und aktueller Bürotechnik. – Von diesem Buch erfahren habe ich durch den Artikel „Akten sind bunt: Farbstifte und ihr Wert für die Archivarbeit“ im Weblog „Aktenkunde“. Danke an Kind7 für die Erwähnung des Artikels sowie an Jörg für seine Hinweise auf die Rezension dieses Buchs und die Leseprobe!
- Ganz nebenbei habe ich erfahren, dass Faber-Castell bereits 2017 die Produktion seines grünen Kopierstifts eingestellt hat (der gelbe wurde schon lange davor aus dem Sortiment genommen). Damit sind der rote, der blaue und der rot-blaue die letzten in Deutschland hergestellten Vertreter dieser Gattung2. – Von LYRA gibt es noch den Blei-Kopierstift 334 und den Ganzkopierstift 334 S, doch bei diesen handelt es sich um Zimmermannsbleistifte3.
- Hin und wieder schaue ich nach, ob es ältere Produkte noch gibt. So war ich überrascht, dass der Langkonus-Spitzer KUM 400-5L noch angeboten wird, aber die Mitte 2019 vorgestellten Messingspitzer 300-1 und 300-2 offenbar nicht mehr. Ich habe wegen letzterer auch bei KUM angefragt, aber leider keine Antwort bekommen.
- Ich hatte zunächst das Taschenbuch, fand das aber wegen des arg schmalen Bundstegs nicht so gut lesbar und habe dann zur gebundenen Ausgabe gegriffen.↩
- Kopierstifte gelten wegen der zugesetzten Farbstoffe als giftig. Faber-Castell hat jedoch bereits 1992 die Rezepturen seiner Kopierstifte geändert und verwendet seitdem nur noch Farbstoffe, die auch in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie eingesetzt werden, so dass die Stifte unbedenklich sind. Diese neuen Kopierstifte lassen sich leicht identifizieren, denn 1993 hat sich Faber-Castell von der Waage als Bildmarke getrennt; Kopierstifte ohne diese haben also eine Mine nach neuer Rezeptur. – Interessant zu wissen wäre, ob (und wenn ja, wie) sich dadurch die Gebrauchseigenschaften verändert haben.↩
- Ich weiß auch nicht, ob diese noch hier gefertigt werden, denn seit der Übernahme von LYRA durch FILA im Jahr 2008 kommen viele LYRA-Stifte aus China.↩
Rot und Blau (5)
Der letzte Beitrag zu diesem Thema endete mit weiteren Fragen zur Herkunft des Rot-Blau-Stifts.
1871 wurde Eberhard Faber vor dem United States Custom House1 in New York angehört. Ihm wurde vorgeworfen, inkorrekte Angaben zu den von A.W. Faber aus Deutschland importierten Waren gemacht, d. h. einen zu niedrigen Wert angegeben zu haben. Von Sean Malone – er war mit der Unternehmensgeschichte Eberhard Fabers hervorragend vertraut – habe ich folgenden Ausschnitt aus dem Protokoll:
The prices of the Carmine, Blue and Siberian pencils and all the colored pencils vary from time to time, aside from the quantity purchased.
Q. Do you know whether the colored pencils are, in point of fact, made by “A.W. Faber”, or purchased by them?
A. They are purchased by them.
Eberhard Faber hat also ausgesagt, dass die Farbstifte nicht von A.W. Faber hergestellt, sondern zugekauft wurden. (Er erhielt später eine Geldstrafe und musste den Differenzbetrag nachzahlen.) Dies galt dann wohl auch für die Rot-Blau-Stifte.
Doch woher kamen sie?
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- Am United States Custom House (auch New York Custom House) erhob die Zollbehörde der USA die Bundeszölle auf importierte Waren in New York City.↩
Faber-Castell JANUS 2160
Nach dem Ausflug in die Vergangenheit des Rot-Blau-Stifts heute ein Blick auf ein aktuelles Exemplar dieser Gattung, und zwar den JANUS 2160 von Faber-Castell.
Der JANUS 2160 hat die üblichen Abmessungen, aber eine bemerkenswerte Gestaltung. Der goldfarbene Prägedruck, der teils links- und teils rechtsläufig ist, wurde mal auf einer roten und mal auf einer blauen Fläche1 angebracht. Die eigentlich redundante Angabe „ROT•BLAU“ gibt es in vier Sprachen, wobei die deutsche und die französische Fassung mit einem Punkt (•), die englische und die spanische hingegen mit einem Divis (-) geschrieben wird. – Ein Strichcode ist nicht vorhanden, aber eine Blindprägung („m8“ (?) auf meinen Exemplaren).
Kurioserweise trifft hier ein aktuelles Logo von Faber-Castell – die kämpfenden Ritter – auf ein altes, nämlich den Januskopf, der den Schriftzug „JANUS 2160“ einfasst und perfekt zu diesem Stift passt.
Die Wortmarke „JANUS“ wurde 1906 eingetragen und 2015 gelöscht (hier ein Ausschnitt aus einem Werbemotiv um 1910/1920; das vollständige Motiv ist unter „Janus“ zu sehen). Der JANUS 2160 trägt zwar die Kennzeichnung „Germany“, doch ich bezweifle, dass er in Deutschland hergestellt wurde. Finden konnte ich ihn nur auf der internationalen Website von Faber-Castell (Janus colour pencil, red/blue), und ich vermute, dass die Marke „Janus“ in den Zielmärkten etabliert ist und man nicht auf sie verzichten wollte (ähnlich „Alligator“).
Blau: werkseitige Spitze, rot: gespitzt mit der „Granate“
Der JANUS 2160 ist einfach verarbeitet. Sein Lack ist dünn und hat einige Unregelmäßigkeiten, und im Prägedruck gibt es die eine oder andere kleine Lücke. Die Minen meiner Exemplare sitzen aber mittig und sind – soweit ich es bis jetzt feststellen konnte – ordentlich verleimt.
Das Holz kann ich nicht sicher identifizieren, doch ich gehe von Gmelina (bot. Gmelina arborea) aus, das Faber-Castell in Kolumbien anbaut. Es lässt sich in der „Granate“ von Möbius+Ruppert2 leicht spitzen, hat aber nach dem Spitzvorgang keine glatte, geschlossene Fläche3.
Die 3,5 mm dicke und für einen Farbstift sehr bruchstabile Mine hat eine gute Pigmentierung und eine saubere Abgabe; zudem ist sie sparsam und hat einen vergleichsweise wischfesten Abstrich.
Ich habe den JANUS 2160 von zwei, drei Jahren im Fachgeschäft FORMAT in Darmstadt gekauft, kann mich aber nicht mehr an den Preis erinnern. Mich hat es überrascht und gefreut, diesen Stift dort zu finden, denn ich denke nicht, dass er für den deutschen Markt gedacht ist.
Weitere Rot-Blau-Stifte in diesem Weblog:
- Venus Postal
- Rot und Blau (1, eine Zusammenstellung von 13 Stiften)
- Faber-Castell Jumbo Grip Bicolor
- J.S. STAEDTLER 3534 B Red & Blue Stork
- J.S. STAEDTLER MARS-LUMOCHROM 2642
- Koh-I-Noor Hardtmuth Bürofarbstift
- Beim genauen Blick auf die Spitze erkennt man, dass der Stift erst vollständig blau lackiert wurde und dann auf drei Flächen rot.↩
- Es wäre natürlich schön, wenn sich der JANUS 2160 auch im Janus 4048 spitzen ließe, aber in diesem brechen die Minen reproduzierbar ab.↩
- Dieser Effekt ist mir bereits beim Faber-Castell GRIP 2001 aufgefallen.↩
Rot und Blau (4)
Zu den Themen, die schon länger auf ihre weitere Bearbeitung warten, gehört die Geschichte des Rot-Blau-Stifts, aber auch verwandter Schreibgeräte. – Die folgenden Dokumente konnte ich von Sean Malone (†7.12.201) bekommen.
Die letzten hier gezeigten Quellen belegen, dass es den Rot-Blau-Stift bereits vor 1869 gab, und ein Warenkatalog von A.W. Faber führte 1874 sogar Rot-Grün-, Rot-Graphit- und Blau-Graphit-Stifte auf. Doch auch letztere waren damals nicht neu, wie dieser Katalog von Eberhard Faber aus dem Jahr 1873 zeigt.
Allerdings werden hier unter der Rubrik „Colored Pencils With Two Colors“ die Kombinationen „Carmine and Black“ und „Blue and Black“ genannt, so dass offen bleibt, ob es sich bei dem Schwarz um eine Farb- oder eine Graphitmine gehandelt hat. – Ich finde es bemerkenswert, dass der Rot-Blau-Stift in drei und den Rot-Grün-Stift in zwei Qualitäten angeboten wurde.
Auch ein mechanischer Rot-Blau-Stift war im Sortiment. – Interessant finde ich den Rot-Schwarz-Stift mit dicker Vierkant-Mine, der Waldarbeitern angedient wurde.
Aus einem Bericht des United States Congress des Jahres 1864 stammt folgende Übersicht, die Rot-Blau-Stifte von Faber aufführt.
1872 gab es einen Großbrand in der Fabrik von Eberhard Faber in New York. Zu den Unterlagen, die das Feuer überstanden, gehört ein Geschäftsbuch aus dem Jahr 1857. (Eberhard Faber leitete ab 1849 zunächst die US-amerikanische Niederlassung von A.W. Faber in New York, bevor er 1861 seine eigene Bleistiftfabrik, ebenfalls in New York, gründete. Alle Dokumente vor 1861 sind also noch A.W. Faber zuzuordnen.) Im November finden sich die Eintragungen „10 Gr. Zinnober & Bleistifte“ und „11 3/4 Gr. Blau und Bleistifte“ (dritte Rubrik, erste und zweite Zeile; für einen Ausschnitt anklicken):
Ebenfalls im November: „8 Gr. Zinnober & Blau Stifte Gold“ (zweite Rubrik, dritte Zeile; für einen Ausschnitt anklicken):
Und im Dezember: „18 Gr. Roth & Blau Stifte 6eckig“ (19. Zeile)2 und „2 1/2 Gr. Blau & Zinnober Stifte“ (letzte Zeile; für Ausschnitte anklicken):
Doch es geht noch weiter zurück, und zwar in den Juli 1856. Das Geschäftsbuch von Eberhard Faber führte in diesem Monat und zum ersten Mal in diesem Jahr „Blue and Carmine“ auf (etwa in der Mitte; für einen Ausschnitt anklicken):
Der Rot-Blau-Stift dürfte also mindestens 166 Jahre alt sein, und die Idee dazu hatte nach eigenen Angaben Lothar vor Faber3.
Doch es bleiben Fragen: Wann kam der erste Rot-Blau-Stift auf den Markt? Als Erfinder des modernen Farbstifts auf Ölkreidebasis gilt Johann Sebastian Staedtler; er hat seine Erfindung im Februar 1834 präsentiert. Wann begann Lothar von Faber mit der Produktion von Farbstiften?
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- Seine hervorragenden Weblogs Contrapuntalism und Blackwing Pages sind glücklicherweise noch online.↩
- Darunter heißt es „9 Gr. Zinnober Stifte roth-Gold“, doch ich bin mir nicht sicher, ob es sich dabei wirklich um Rot-Blau-Stifte handelt oder „roth-Gold“ deren Gestaltung bezeichnen soll.↩
- Lothar von Faber (1817–1896) hat 1839 die 1761 gegründete Bleistiftfabrik A.W. Faber übernommen.↩
Kurz notiert
- Vom japanischen Hersteller SEED gibt es jetzt einen transparenten Radierer. Der blockförmige SEED Clear Radar ist in zwei Größen erhältlich und kostet 100 bzw. 150 Yen (etwa 0,90 bzw. 1,30 Euro). – Danke an Sola von pencils and other things für den Hinweis!
- Das Patent „Pencil Lead“ von Mitsubishi beschreibt die Verbesserung der Bruchfestigkeit von Bleistiftminen durch eine 5 µ dünne Kunstharz-Beschichtung. Die Patentschrift ist auch wegen anderer bemerkenswerter Details lesenswert, z. B. zur Herstellung einer Farbmine, bei der zunächst eine graue oder weiße Mine gebrannt und diese dann mit einem Färbemittel imprägniert wird. Darüber hinaus wird Bornitrit als Alternative zu Graphit genannt, und auch ein Bleistifthärteprüfer wird erwähnt (ähnlich dem Elcometer 501); außerdem wird auf Normen des JISC (Japanese Industrial Standards Committee) verwiesen.
- Und noch ein Patent: In „Pencil For Writing Or Colouring“ beschreibt der französische Hersteller Conté einen durch Coextrusion gefertigten Stift zum Schreiben oder Malen, dessen Mine durch eine schützende Zwischenschicht aus Polystyrol und EVA (Ethylenvinylacetat) umgeben ist.
- In diesem Monat kommen zwei neue Produkte von Mitsubishi/uni Japan auf den Markt. Mit einem neuen Rot-Blau-Stift richtet sich das Unternehmen an Schulkinder, und für den Schaft des Kugelschreibers Limex wird das gleichnamige, zu über 50% aus Kalkstein hergestellte Material genutzt.
- Am Samstag, den 14.9.19 um 20.15 Uhr zeigt die ARD den dreistündigen Film „Ottilie von Faber-Castell – Eine mutige Frau“ (das „Making of“ gibt es hier). Er basiert auf dem Roman „Eine Zierde in ihrem Hause. Ottilie von Faber-Castell“ von Asta Scheib (Rowohlt 1998) und wurde in Tschechien gedreht; die Aufnahmen in der Bleistiftfabrik entstanden in einer umgebauten Brauerei in Trebon (Quelle). Von Faber-Castell konnte ich erfahren, dass Asta Scheib Zugang zum Familienarchiv hatte, aber ein emanzipatorischer Roman mit nicht allzu viel Bezug zur historischen Realität entstanden ist und man an der Produktion des Films nicht beteiligt war.
Viking Farveblyanter
Aus einem Katalog der 1930er Jahre des dänischen Herstellers Viking: Farbstifte, darunter auch ein Rot-Blau-Stift.
Danke an Jens M. Thomsen von Viking für den Scan!