Einer der ungewöhnlichen, im Katalog von J.S. STAEDTLER des Jahres 1919 präsentierten Artikel war der „Straßenbahn-Patentstift mit beweglicher Kopiermine“, den es in zwei Varianten gab.

Kleiner Exkurs: Der „Patentstift“ bestand aus einer meist hölzernen Hülse, an deren einem Ende eine Schraubklemmung die Mine hielt. Auch Faber-Castell bot solche Schreibgeräte in zahlreichen Ausführungen und im Katalog von 1902 mit 32 (!) verschiedenen Minenstärken an. Da die Minen noch nicht genormt waren, halfen sogenannte Bleilehren mit unterschiedlichen Drähten und Stäben bei der Bestimmung des korrekten Durchmessers (Faber-Castell hatte damals gleich drei solcher Lehren im Sortiment).
Die Kopiermine, hier gehalten von einer aufwändig gestalteten Spitze aus Nickel, enthielt den Anilinfarbstoff Methylviolett, dessen Synthese gut 50 Jahre zuvor erstmals gelang. Im Gegensatz zum Graphit gehen die Substanzen der Kopiermine eine unlösbare Verbindung mit dem Papier ein, was die spurlose Entfernung ihrer Schrift fast unmöglich und die Mine damit dokumentenecht macht. Der Kugelschreiber sollte erst 20 Jahre später erfunden werden und Tinte war für den mobilen Gebrauch meist nicht handlich genug, so dass der Kopierstift lange konkurrenzlos war und daher (wie hier) eben auch Straßenbahnschaffnern zum Markieren von Fahrkarten angedient wurde.

Als eine sehr frühe Form des mechanischen Stifts kam der Patentstift ohne Spitzer aus, was ihm einige Vorzüge gegenüber den holzgefassten Schreibgeräten verlieh. – Zur Dicke der Kopierminen, die in Schachteln mit ¼ Gros (36 Stück) bereitgehalten wurden, macht der Katalog keine Angabe.
Eine Version des runden Straßenbahn-Patentstifts war mit einem (hier perspektivisch nicht ganz korrekt dargestellten) Gummiring versehen, der ähnlich einem Blattwender – in seiner klassisch-dunkelgrünen Igelform eine Büro-Ikone – das Lösen der Fahrscheine vom Block erleichterte.

Der Zeichner der Produktabbildung spendierte dem Viertelmond, dem knapp zwanzig Jahre vor Erscheinen dieses Hauskatalogs beim Nürnberger Amtsgericht angemeldeten und damit ältesten Markenzeichen des Unternehmens, eine gewaltige Nase und eine recht ernste Mine, was mir außerordentlich gut gefällt. – Bei „hiezu“ handelt es sich übrigens nicht um einen Druckfehler, sondern um die damals in Süddeutschland übliche und heute veraltete Form von „hierzu“.
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