Wer schon einmal die Bleistiftmine an einem Stück Schleifpapier gespitzt hat, kennt die damit verbundenen Probleme. Da die Mine keine bestimmte Lage in Bezug auf die Reibfläche einnimmt, muss man die Mine während des Spitzens drehen, um eine gleichmäßige, d. h. konische Spitze zu erhalten. Dabei besteht die Gefahr, die Mine durch zu hohen Anpressdruck abzubrechen oder gar mit den Minenhalter auf die Reibfläche zu kommen und ihn zu beschädigen; hinzu kommt, dass der Abrieb Hände, Zeichnung und Arbeitsplatz verschmutzen kann. Georges Dessonnaz aus Freiburg in der Schweiz hatte eine Idee, diese Probleme zu beseitigen, und reichte am 8. April 1939 seine Patentanmeldung beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum in Bern ein. Am 15. Mai 1940 wurde ihm das Patent № 209870 für seinen „Schärfer für Bleistiftminen“ erteilt.
Der Anspruch aus dem deutschen Patent:
Schärfer für Bleistiftminen, bestehend aus einem im Querschnitt kreisrunden Behälter, in dessen oberer Wandung ein diametral durchbohrtes Kugelgelenk für die Aufnahme eines Bleistifts oder Minenhalters angeordnet ist und der in seinem Innern eine kegelige Reibfläche aufweist, deren Längsachse durch den Mittelpunkt des Kugelgelenks hindurchgeht, dadurch gekennzeichnet, daß er an dem Kugelgelenk (16) eine in das Innere des Behälters ragende, an ihrem freien Ende entsprechend der Bleistiftspitze kegelige, zum Führen des Stiftes dienende Hülse (15) und unten im Behälter einen in Richtung der Längsachse der kegeligen Reibfläche verlaufenden, fingerhutartigen, zum Führen des Stiftes während des Schärfens dienenden Kegel (12) aufweist.
Beide Ausführungsbeispiele der Patenschrift verdeutlichen die pfiffige Konstruktion: Die Stifthalterung (15) mit dem Kugelgelenk (16) wird bei abgeschraubtem Bodenstück (9) in das Oberteil (4) eingesetzt. Schraubt man das Bodenstück an, zwingt dessen Kegel (12) die Stifthalterung in eine Schräglage; in dieser Position verhindert die Auskragung (17) das Herausfallen der Stifthalterung. Zudem ist der Kegel so ausgeführt, dass er nur noch eine Kreisbewegung der Stifthalterung zulässt und damit die Mine am konischen Schleifring (13) entlangführt. Der Abrieb verbleibt dabei im Innern des Geräts.
Die Zürcher Büroartikel-Handelsfirma Hermann Kuhn erwarb das Patent 1944, ließ den Minenschärfer zunächst mit dunkelrotem, später mit grauem Oberteil herstellen und vertrieb ihn unter dem Namen „Gedess“ (Georges Dessonnaz) weltweit. – Diese Ausführung war jedoch bereits eine vereinfachte, hatte sie doch nicht mehr den in der Patentzeichnung dargestellten Spitzer im Sockel, der die Mine des Bleistifts vom Holz befreien sollte.
Das Gehäuse des Gedess von Kuhn besteht aus Polystyrol und das Bodenstück sowie die Stifthalterung aus Acrylnitrilbutadienstyrol (ABS). Der ebenso wie die Kunststoffteile im Spritzgussverfahren hergestellte eiserne Schleifring hat auf der Innenseite eine etwa 0,5 mm dicke, abrasive Schicht. – Die Herstellung der Kunststoffteile, des Ringes und der Beschichtung besorgte je eine Firma; Kuhn übernahm die Montage, die Verpackung und den Versand.
Die nur vier Teile sind so gestaltet, dass sie nur durch ein Gewinde zusammengehalten werden; dies sowie die Form- und Farbgebung machen den Gedess zu einem minimalistischen Utensil.
Auch seine Kennzeichnung ist sehr zurückhaltend (der Schleifring und die Stifthalterung tragen keine).
Der Gedess ist 65 mm hoch, hat unten einen Durchmesser von 62 mm und wiegt knapp 70 Gramm. Er eignet sich für Minen mit 2 mm und 3,15 mm Durchmesser und Minenhaltern bis 9 mm Dicke.
Sein Gebrauch ist denkbar einfach und in der beiliegenden viersprachigen Gebrauchsanweisung beschrieben. Auch auf das Zerlegen und den Einsatz des Gedess mit einem Holzbleistift sowie auf die separate Verfügbarkeit aller Teile geht das Faltblatt ein.
Hier mit dem Uchida 1-848-5100.
Das Gerät lässt sich leicht handhaben und bringt die Mine rasch in Form (das Spiel des Stifts in der Halterung gibt mir allerdings kein gutes Gefühl). Und wie ist das Spitzergebnis?
Das ist eher ernüchternd, zeigen sich doch die Spuren der abrasiven Schicht des Schleifrings sehr deutlich; auch ist eine Asymmetrie erkennbar. Zum Vergleich das Spitzergebnis des Möbius+Ruppert 970:
(Der Vergleich ist natürlich nicht ganz fair, arbeitet doch im M+R 970 ein Fräser aus einer Speziallegierung mit einer Vickershärte von über 900; zudem bietet der 970 durch seine Bauform einen Spitzstopp und dem Stift durch die Aufnahmen für verschiedene Durchmesser einen besseren Halt.) Der Blick auf den Schleifring des Gedess liefert die Erklärung für die Spuren an der Minenspitze:
Ich halte es für möglich, dass man bewusst eine gröbere Körnung gewählt hat, da sich diese nicht oder zumindest nicht so schnell zusetzt und vielleicht auch etwas langlebiger ist.
2011 hat die Standardgraph Zeichentechnik GmbH in Geretsried die Rechte am Gedess sowie dessen Herstellung und Vertrieb übernommen. Ich war neugierig und habe mir für gut 18 Euro ein aktuelles Modell gekauft.
Mein erster Blick galt dem Schleifring, denn ich hoffte auf eine feinere Körnung. Beim Aufschrauben überraschte mich jedoch zuerst ein schmirgelndes Geräusch.
Im Gegensatz zum alten Schleifring ist der neue auf allen Seiten mit Schleifpartikeln bedeckt und kratzt daher auch am Bodenstück. Erschreckt hat mich allerdings die Verdickung am unteren Rand, von der ich befürchte, dass sie die Minenspitze abreißt, sollte die Mine soweit in das Gerät ragen.
Dass der Schleifring meines Exemplars nur ungleichmäßig beschichtet ist und sich die Partikel teilweise ablösen, spielt dann auch keine Rolle mehr, denn ich werde das Gerät zurückschicken. (Natürlich könnte es sich um einen Produktionsfehler handeln, aber ich möchte keinen zweiten Versuch wagen.)
Eine traurige Entwicklung von einer sehr guten Idee zu einem meiner Ansicht nach wenig überzeugenden Produkt. Umso kostbarer ist mir nun mein alter Gedess!