Pentel Mechanica
Der Mechanica des japanischen Herstellers Pentel hat etwas, das es auch 50 Jahre nach Markteinführung bei keinem anderen Druckbleistift gibt: Dreht man den Griff, fährt eine Hülse zum Schutz des Minenführungsröhrchen heraus.
Erdacht hat sich dies Yukio Horie1, Gründer von Dai Nihon Bungu Kabushiki Kaisha, dem Unternehmen, das sich 1971 den Namen Pentel gab. Sein Patent wurde in Japan am 29. Mai 1968 angemeldet, und im darauffolgenden Jahr kam der Mechanica in den Handel2.
Das britische Patent „Mechanical Pencil“
Den Mechanica gab es in den Minendurchmessern 0,3 und 0,5 mm, drei leicht unterschiedlichen Designs und verschiedenen Ausstattungsvarianten3. Auf diese Details sind jedoch bereits andere eingegangen, und so möchte ich mich auf das konzentrieren, was diesen Druckbleistift so einzigartig macht, nämlich den Schutz des Minenführungsröhrchens. Aufschluss gibt die Patentschrift.
Aus dem britischen Patent „Mechanical Pencil“
Naturgemäß ist sie sehr ausführlich und in einer speziellen Sprache gehalten4; hier eine Kurzfassung.
Aus dem britischen Patent „Mechanical Pencil“
Die Teile:
- Klemmhülse
- Minenführungsröhrchen
- Schaft
- Vorderer Teil des Schafts
- Mine
- Endkappe mit Drücker
- Äußerer Zylinder
- Spiralschlitz
- Innerer Zylinder
- Längsschlitz
- Ringkragen
- Befestigungspunkt
- Schutzhülse
- Knopf
- Griffhülse
- Ring
Am vorderen Teil des Schafts (4) ist der innere Zylinder (9) befestigt. In diesem sitzt längs verschiebbar die Schutzhülse (13), deren Knopf (14) so lang ist, dass er durch den Längsschlitz (10) des inneren Zylinders (9) in den Spiralschlitz (8) des darüber sitzenden und drehbaren äußeren Zylinders (7) reicht. Letzterer ist als Feder ausgeführt, so dass er durch Kraftschluss in der Griffhülse (15) gehalten und immer zusammen mit dieser gedreht wird. Ringkragen (11) und Ring (16) verhindern das Verschieben von äußerem Zylinder und Griffhülse.
Doch wie führt die Dreh- zu einer Längsbewegung? Dreht man die Griffhülse, läuft der Knopf der Schutzhülse im Spiralschlitz des äußeren Zylinders. Die Schutzhülse würde sich nur mitdrehen, aber der Längsschlitz des inneren Zylinders zwingt sie in Längsrichtung5. So bewegt eine knappe Umdrehung der Griffhülse die Schutzhülse über die komplette Länge6 (eine geringe Drehbewegung bleibt natürlich). – Die Mechanik ist spielarm und leichtgängig, und das Logo auf dem Karton nimmt Bezug auf ihre Funktion.
Karton (Ausschnitt)
Angesichts der durchdachten Mechanik des Stifts ist es kurios, dass man ihm einen Clip beigelegt hat, der nicht richtig passt.
Er ist nahezu identisch zu dem des Pentel P200, nur etwas kürzer, und hat ebenfalls einen zylindrischen, geschlitzten Ring, der auf den entsprechend geformten Abschnitt des P200 passt, aber auf dem konischen, zwölfflächigen Schaft des Mechanica keinen Halt findet. Schiebt man den Clip so weit auf den Schaft, dass er leidlich sitzt, ist er zu weit vom Stiftende entfernt und hinterlässt, da der Ring nicht flächig aufliegt, mit einer Kante leichte Druckstellen am Schaft. Jeder Versuch, den Clip zu benutzen, führt dazu, dass er sich löst.
Während ich meine Leser mit ermüdenden Details nicht nur zum Innenleben des Mechanica strapaziere, geht der Hersteller mit seinen Kunden schonender um und im Beileger nur auf Handhabung und Wartung des Schreibgeräts ein.
Aus dem Beileger
Das Befüllen des Stifts, der Minenvorschub usw. mag vor 50 Jahren erklärungsbedürftig gewesen sein7, ist aber heute allgemein bekannt und muss hier nicht mehr wiedergegeben werden (auch wenn die Abbildungen im Beileger reizvoll sind). So beschränke ich mich hier auf die besonderen Aspekte dieses Druckbleistifts.
Der Mechanica aus Benutzersicht:
Aus dem Beileger
Hier wird beschrieben, den Stift dadurch gebrauchsfertig zu machen, in dem man mit der einen Hand die Griffhülse hält und mit der anderen den Schaft nach links dreht, bis die Schutzhülse die Spitze freigelegt hat, und den Stift in die entgegengesetzte Richtung zu drehen, um die Schutzhülse wieder über die Spitze hinaustreten zu lassen. Dazu gibt es den Hinweis, ein Überdrehen der Griffhülse zu vermeiden, weil sie sich sonst lösen kann. Auf den folgenden Seiten finden sich Details zum Einstellen und Rückstellen der Mine, zum Nachfüllen, zur Reinigungsnadel, zum Härtegradindikator und zur Schutzhülle.
Aus dem Beileger
Die Anleitung zum Zerlegen des Mechanismus beginnt mit dem Hinweis, dies möglichst zu vermeiden, da sich der Zusammenbau als schwierig erweisen könnte. Das hat mich motiviert und wie beschrieben vorgehen lassen.
Schutzhülse zur Sicherheit herausdrehen.
Griffhülse abziehen.
Schutzhülse abnehmen (ggf. wie eine Schraube herausdrehen).
Äußeren Zylinder abnehmen (man muss ihn leicht aufbiegen, damit er über den Ringkragen passt). – Hier fallen zwei Unterschiede zum Patent auf: Zum einen ist der äußere Zylinder symmetrisch ausgeführt10, kann also auch anders herum aufgesteckt werden, und zum anderen hat der innere Zylinder einen zweiten Ringkragen.
Kann man den Mechanica noch weiter zerlegen?
Ja, denn die Spitze lässt sich lösen, um bei Problemen mit dem Minenvorschub die Zwinge reinigen zu können.
Spitze abschrauben und ggf. Minenreste aus der Zwinge entfernen.
Der Zusammenbau ist in der Tat nicht ganz einfach, weil der äußere Zylinder, wenn er auf dem inneren sitzt, beim Aufsetzen der Griffhülse fest zusammengedrückt werden muss, damit er nicht durch die Griffhülse über den zweiten Ringkragen geschoben wird (unnötig zu sagen, dass sich dann alles verkeilt und die Teile beschädigt werden können). – Die Mechanik ist werkseitig leicht geschmiert.
Aus dem Katalog von Pentel Japan (1999)
Ich benutze den Mechanica sehr gerne. Dass sein Griff ziemlich glatt ist, der Clip nicht passt und der Minenvorschub mit 2,8 mm pro zehnmal Drücken sehr gering ausfällt, sind Kleinigkeiten – die hohe Material- und Verarbeitungsqualität, die spielfreie Minenführung, das in meinen Augen reizvolle Design und und natürlich die spezielle Mechanik machen den Pentel Mechanica auch heute noch zu einem besonderen Druckbleistift.
Wann genau die Produktion des Mechanica eingestellt wurde, weiß ich nicht, aber manche Quellen nennen das Jahr 2002; heute ist er nur noch sehr schwer zu bekommen. – Die Schutzhülse, wenn auch abnehmbar und nicht integriert, kam übrigens 1970 beim Pentel Mechanica Graph wieder.
Danke an Sola von pencils and other things für die Übersetzung des Beilegers!
Nachtrag vom 24.5.24: Es ist fraglich, ob Yukio Horie, der Gründer des Unternehmens, den Pentel Mechanica erdacht hat. Diesem Kommentar im Knockoogy-Forum zufolge war es damals bei japanischen Auslandspatenten oft der Fall, dass nicht der eigentliche Erfinder, sondern der Unternehmensgründer genannt wurde. – Weitere interessante Details zum Mechanica gibt es unter „Pentel Mechanica––A Milestone of Not Just Pentel“ auf Reddit.
- Er gilt auch als Erfinder des Faserschreibers (1962).↩
- Der Mechanica war der weltweit erste Druckbleistift für 0,3-mm-Minen; er bekam außerdem den Long Life Design Award (Quellen: Pentel Design, Good Design Award).↩
- Der Lieferumfang und die Verpackung des Mechanica waren vergleichsweise aufwändig: Ein Karton schützte die Klappbox aus Kunststoff, und in dieser befand sich neben dem Stift ein Clip, eine Schutzhülle (zunächst aus Leder, später aus Kunststoff), ein Röhrchen Minen, ein Beileger (Japanisch für die lokale und Englisch/Französisch/Deutsch für die Exportvariante) und – in frühen Versionen – ein Tuch. Durchgehend geblieben sind der gelbe Härtegradindikator für die 0,5-mm-Variante und der rote für 0,3 mm; auch war immer nur bei letzterer die Gravur der Griffhülse mit schwarzer Farbe gefüllt. – Eine sehr frühe (die erste?) internationale Variante ist unter „PENTEL MECHANICA 0.3m/m“ zu sehen, und viele weitere Details zu den anderen gibt es bei 2本のメカニカを比較する und 徹底比較「3本のメカニカ 〜付属品編〜」.↩
- Ich muss gestehen, dass ich nicht selten Gefallen an dieser finde.↩
- Durch die Reibung des Knopfes an den Kanten der Schlitze ist natürlich mit einem gewissen Verschleiß zu rechnen, doch dieser dürfte sich in Grenzen halten.↩
- Die Schutzhülse fährt übrigens etwa einen Millimeter über das Minenführungsröhrchen hinaus, so dass auch noch die eventuell herausstehende Mine geschützt wäre.↩
- Der erste Feinminenstift kam 1960, also neun Jahre vor dem Mechanica, auf den Markt (Quelle: Pentel Japan).↩
- Die erste Variante war hier u. a. mit „JIS S 6013“ gekennzeichnet, der japanischen Norm für Druckbleistifte (identisch zu ISO 9177-1).↩
- Manchen Quellen zufolge ist er aus einem POM (Polyoxymethylen) gefertigt.↩
- Wie unter 徹底比較「3本のメカニカ 〜本体編〜」 zu sehen ist, kam dies erst mit der zweiten Variante.↩