KUM Masterpiece
Vor gut einem Jahr hier erwähnt und seit kurzem erhältlich: Der neue Langkonus-Spitzer „Masterpiece“1 von KUM.
Der 9,25 Euro teure Spitzer ist in einer Neoprenhülle und einer transparenten Kunststoffbox verpackt.
Über den QR-Code auf der Unterseite der Box gelangt man zur Masterpiece-Produktseite.
Der Spitzer ist aus Magnesium, Kunststoff2 und Edelstahl gefertigt3 und 35 × 27 × 12 mm groß.
Die Verarbeitungsqualität des Magnesiumteils überzeugt mich nicht. Warum hat man ihm – erst recht angesichts des hohen Preises – nicht die gleiche Oberflächenbehandlung wie dem aktuellen KUM 400-5L gegönnt? Auch die Kanten hätte man besser entgraten können. Auf der Produktseite heißt es, der KUM Masterpiece durchlaufe acht Qualitätsprüfungen. Wie ging dieses Finish durch? – Die Aussicht auf eine Messingversion dürfte übrigens sehr gering sein, denn KUM hat schon von einigen Jahren die Fertigung der Messingspitzer eingestellt.
Der erste Stifteinlass hat einen Durchmesser von 8,5 mm und nimmt so auch geringfügig dickere Bleistifte auf, was bei älteren und vielen Stiften aus Japan nützlich ist; der zweite misst 6,8 mm. – Das Kunststoffteil ist mittels Nut und Feder befestigt. Es sitzt fest genug, um sich nicht von selbst zu lösen, lässt sich aber gut verschieben und ganz abnehmen.
In dem Kunststoffteil finden zwei Ersatzmesser Platz.
Das Spitzen mit dem Masterpiece ist großartig: Der Kraftaufwand ist gering, der Span mit durchschnittlich 0,21 mm4 sehr dünn, die Holzoberfläche sauber und der Bleistift nadelspitz (!). Bei keinem meiner zahlreichen Versuche ist das Holz gesplittert oder die Spitze abgebrochen, selbst bei weichen5 und Farbstiften nicht. Ab und zu kam es vor, dass der zweite Stifteinlass einen Ring in das Holz gedrückt hat, doch diesen konnte ich durch ein kurzes Nachspitzen auf Stufe 1 entfernen.
Beim Pentel Black Polymer 999 H bleibt eine hauchdünne Holzschicht auf der Mine; vermutlich ist letztere etwas dünner als der Standard, für den der Spitzer ausgelegt ist6. Diese Schicht kann man leicht durch ein etwas verkantetes Spitzen im ersten Loch ablösen, was jedoch nicht nötig ist, da sie im zweiten Spitzvorgang entfernt wird.
Der Vergleich zeigt die deutlich längere und sehr feine Spitze, die der Masterpiece schneidet. Mit meinen bescheidenen Mitteln habe ich den beeindruckenden Spitzwinkel von 16° gemessen (der KUM Long Point Automatic und der KUM 400-5L kommen auf 19°; Standard sind 22°).
Da sich das die Minenlänge begrenzende Vorderteil verschieben lässt, kann man die Mine auch weiter freilegen.
Beim genauen Blick ist mir aufgefallen, dass die Messer leicht konisch sind und die Schneiden nicht parallel zur Stiftachse verlaufen; dies habe ich noch bei keinem anderen Handspitzer gesehen. Welchen Sinn das hat, weiß ich allerdings nicht. Schneidet das Messer dadurch vielleicht sauberer?
Geschichte
Die Idee, Holz und Mine getrennt zu spitzen, ist nicht neu. Bereits 1931 hat sich Möbius+Ruppert einen zweigeteilten Spitzer patentieren7 lassen (DE561385), dessen Vorderteil gedreht werden konnte und so drei verschiedene Spitzenformen möglich machte. Dieser Spitzer war in den 1930er Jahren unter dem Namen Artena Nr. 64 erhältlich8.
In den 1940er Jahren hat man im Erlanger Unternehmen A. Klebes & Co. KG (später KUM) erkannt, dass das zweistufige Spitzen die Qualität des Spitzergebnisses verbessert, und sich 1948 einen Spitzer mit – wie es später heißen sollte – „Anschlag zur Begrenzung der freien Minenlänge“ patentieren lassen (das Originalpatent liegt mir nicht vor, aber GB665048 und US2642044 verweisen darauf).
Diese Form, die es meines Wissens erstmals 1950 von Hadinor und wenige Jahre später auch als Behälterspitzer gab, lebt bis heute im KUM Automatic Long Point weiter9.
1958 gab es eine Weiterentwicklung dieses Spitzers, wie das Patent DE1042427 belegt.
Motivation für die Trennung von Spitzer und Anschlag waren das Bemühen, die Fertigung zu vereinfachen, sowie der Wunsch, auch einen längeren Minenabschnitt freilegen zu können. Bei allen in der Patentschrift gezeigten Varianten greifen die beiden Teile mit Nut und Feder zusammen. Abbildung 5 zeigt die Ausführung, die es später als KUM Automatic 3 gab und heute als Masterpiece anzutreffen ist.
An die Unterbringung von Ersatzmessern im verschiebbaren Anschlag hat man damals ebenso gedacht wie an die Sicherung des Anschlags mit einem Stift (ob jedoch letztere jemals umgesetzt wurde, weiß ich nicht). – Angaben zu den Spitzwinkeln der älteren Modelle konnte ich bis jetzt leider nicht finden.
Fazit: Der einzigartige KUM Masterpiece spitzt hervorragend und liefert grandiose Ergebnisse, verdient aber meiner Meinung nach ein besseres Finish (z. B. durch Gleitspanen). – Vielen Dank an KUM für das Muster!
Anm.: Der Stoff im Hintergrund ist ein sogenanntes Tenugui, ein traditionelles japanisches Handtuch, mit dem sogenannten Sei-gai-ha-Muster (青海波), dessen Geschichte bis in die späte Jōmon-Zeit (1200–300 v. Chr.) zurückreicht. In Japan gelten diese symbolisierten endlosen Wellen als Glücksbringer.
Nachtrag vom 29.3.15: Mein Leser Wowter hat mich darauf hingewiesen, dass das erwähnte erste Patent vom 1.10.1948 umgeschrieben wurde und jetzt unter DE1640996U vorliegt. Ich bin zwar auch auf dieses Patent gestoßen, habe es aber aufgrund des Datums auf dem Deckblatt (17.7.1952) nicht für das erste gehalten. Die bibliografischen Daten beim DPMA nennen jedoch den 1.10.1948 als Anmeldedatum und weisen es damit als das erste Patent für den Doppelspitzer aus, eingetragen auf die A. Klebes & Co. KG. Hier die Zeichnungen daraus, die sich natürlich nur unwesentlich von der in GB665048 unterscheidet, aber der Vollständigkeit halber wiedergegeben sei:
Dieses Patent erwähnt zudem den Vorteil, dass man für beide Spitzvorrichtungen die gleichen Messer benutzen und sie so austauschen kann; einen weiteren sah man darin, den Minenspitzkegel etwas spitzer als den Holzspitzkegel ausführen zu können. – Danke an Wowter für den Hinweis auf die Patentumschreibung!
Zwei unterschiedliche Spitzkegel? Da lohnt der erneute Blick:
Lege ich die Spitzen auf eine gerade Fläche und schaue gegen das Licht, habe ich bei den meisten den Eindruck, als gäbe es einen kleinen Spalt in der Nähe des Übergangs vom Holz zur Mine; dies könnte – ebenso wie das Foto – dafür sprechen, dass auch der Masterpiece mit zwei leicht unterschiedlichen Spitzwinkeln arbeitet.
Nachtrag vom 31.3.15: Noch nicht eingangen bin ich auf mögliche Unterschiede zwischen dem Automatic 3 und dem Masterpiece. Da ich ersteren leider nicht kenne (und noch nicht einmal weiß, wann er auf dem Markt war), kann ich nur spekulieren: Möglich wären kleinere Spitzwinkel, aber auch Verbesserungen an den Messern wie z. B. eine andere Legierung, eine höhere Härte (aktuell: 62 hrc), eine andere Geometrie (man denke nur an den Winkel zwischen Schneide und Messerachse) und ein anderer Schliff. Auf der Produktseite heißt es außerdem „Die Spanabnahme ist auf ein TC-System eingestellt (Thin Cut)“, und so ist es denkbar, dass der Span des Automatic 3 dicker war. – Die von KUM auch beim Masterpiece beworbene Technik „Dynamic Torsion Action“ beschreibt die Krümmung des Messer nach oben, also gegen die Kraft der Schraube, die, so KUM, ein Ausbrechen der Stiftspitze verhindert. Dass es diese Technik bereits beim Automatic 3 gab, halte ich für fraglich (die Wortmarke wurde erst 1998 eingetragen, aber das muss nichts heißen).
Nachtrag vom 13.4.15: KUM hat mir bestätigt, dass der Masterpiece tatsächlich mit zwei unterschiedlichen Spitzwinkeln arbeitet, wobei der für die zweite Stufe kleiner ist. Ich konnte auch erfahren, dass der Automatic 3 einen Spitzwinkel von 20° hatte.
- Auf dem Spitzer steht „The Masterpiece“, doch ich wähle den einfacheren Namen.↩
- Welcher Kunststoff das ist, weiß ich leider nicht.↩
- Das Material der Schrauben kenne ich nicht.↩
- Gemessen an Bleistiften aus Weihrauch-Zeder, Weymouth-Kiefer, Kolorado-Tanne und Jelutong.↩
- Getestet bis STAEDTLER Mars Lumograph 4B. – Für den STAEDTLER WOPEX und den STAEDTLER Noris eco eignet sich der Masterpiece übrigens nicht, denn für diese Bleistifte braucht man einen Spitzer, der einen dickeren Span abnimmt.↩
- Mit dem Koh-I-Noor № 1000 gab es einen zweistufigen Spitzer, dessen erstes Messer durch ein Langloch verschoben und so an die Minendicke angepasst werden konnte.↩
- Ich kann nicht in allen Fällen sicher unterscheiden, ob es sich um ein Patent oder um ein Gebrauchsmuster handelt und spreche daher immer von einem Patent.↩
- Der heute noch erhältliche M+R 207 arbeitet anders, produziert aber ähnliche Spitzen.↩
- Mit dem Hadinor Universal 63 ließen sich auch Minen unterschiedlicher Stärke spitzen; er war wohl der Vorgänger des heutigen KUM Automatic Long Point AS2M.↩