Granate

Popu­lä­rer Blei­stift­spit­zer mit über 130-​jähriger Geschichte, heute her­ge­stellt von Möbius+Ruppert

Generationentreffen

Die Geschichte des als „Gra­nate“ bekann­ten Hand­spit­zers, der seit knapp 90 Jah­ren von Möbius+Ruppert her­ge­stellt wird1, lässt sich bis 1892 zurück­ver­fol­gen2. Die Form hat sich über die Jahre nur wenig geän­dert3, wohl aber das Mes­ser und seine Befes­ti­gung; der kürz­li­che Fund von zwei alten Vari­an­ten bie­tet die Gele­gen­heit für einen Vergleich.

Generationentreffen

Bis in die 1950er Jahre hin­ein wurde das Mes­ser durch eine Rän­del­schraube und zwei Stifte gehal­ten. Um 1960 herum löste eine Schlitz­schraube aus Mes­sing die Rän­del­schraube ab (links); dies behielt man bis in die frü­hen 1970er Jahre bei. Dann fie­len die bei­den Stifte weg4 und ein paar Jahre spä­ter legte man das nun anders geformte Mes­ser in ein Mes­ser­bett, um es gegen Ver­dre­hen zu sichern (Mitte). In die­ser Zeit – viel­leicht sogar schon etwas frü­her – wurde die „Gra­nate“ auch einen Mil­li­me­ter kür­zer. Als letzte Ände­rung ersetzte man in den 1980er Jah­ren die im Haus gefer­tigte Schlitz­schraube durch eine aus kal­tem Draht gepresste und zum Schutz vor Rost gal­va­ni­sierte Kreuz­schlitz­schraube (rechts).

  1. Die­ser Spit­zer war in den ers­ten Jahr­zehn­ten des letz­ten Jahr­hun­derts auch als „Gra­nate 5“ im Sor­ti­ment der Ver­triebs­firma Möl­ler & Breit­scheid, doch wer diese Vari­ante gefer­tigt hat, konnte ich bis jetzt nicht her­aus­fin­den (Möbius+Ruppert war es nicht).
  2. Dem „Hand­buch für Papier und Büro­be­darf“ von 1949 zufolge kam die „Gra­nate“ um 1889 in den Han­del, doch dafür habe ich noch keine Bestä­ti­gung fin­den kön­nen.
  3. Hin und wie­der sieht man die „Gra­nate“ mit drei statt der vier typi­schen Rän­de­lun­gen; dies ist die heute nicht mehr erhält­li­che Aus­füh­rung für dicke Stifte.
  4. Quelle: Kata­log des Jah­res 1975 von Möbius+Ruppert. – Diese Vari­ante habe ich lei­der nicht; ich wüsste zu gerne, wie das Mes­ser in Posi­tion gehal­ten wurde.

Granate 1939

Wenn es um den als „Gra­nate“ bekann­ten Hand­spit­zer geht, nehme ich alles mit, was ich bekom­men kann. Die­ser Ein­trag im Kata­log für Büro-​Bedarf von A. Wal­ter Schrei­ber, Leip­zig, aus dem Jahr 1939 lie­fert zwar keine neuen Erkennt­nisse, sei aber trotz­dem gezeigt1.

Granate 1939

Das war’s auch schon für heute. – Der Kata­log ist übri­gens recht unge­wöhn­lich, führt er doch u. a. Aschen­be­cher, Apo­the­ken­schränke und Toi­let­ten­pa­pier­hal­ter (!) auf und damit weit mehr als der Titel ver­mu­ten lässt. Aber diese Dinge gehö­ren ja auch irgend­wie zur Bürotätigkeit.

  1. Die Abbil­dung erin­nert natür­lich sehr an die auf die­ser Post­karte.

Die Granate

Seit fast neun Jah­ren erfreut mich das kleine Ölge­mälde eines STAEDTLER Mars Lumo­graph 2B des neu­see­län­di­schen Künst­lers Paul Hut­chin­son. Vor einer Weile hatte ich die Idee, ein wei­te­res Bild bei ihm in Auf­trag zu geben, und nun ist es eingetroffen.

Die Granate

Unnö­tig zu sagen, dass die­ses 9 × 8 cm kleine und für mich groß­ar­tige Werk den als „Gra­nate“ bekann­ten Hand­spit­zer zeigt. – Die Geschichte die­ses Spit­zers reicht bis 1892, also knapp 130 Jahre zurück1; seit vie­len Jahr­zehn­ten ist er im Sor­ti­ment von Möbius+Ruppert im frän­ki­schen Erlan­gen, dem inzwi­schen welt­weit ein­zi­gen Her­stel­ler von Mes­sing­spit­zern. In Öl und aus Mes­sing die aktu­elle Aus­füh­rung, wie sie seit den 1980er Jah­ren ange­bo­ten wird.

  1. Dem „Hand­buch für Papier und Büro­be­darf“ von 1949 zufolge kam die „Gra­nate“ um 1889 in den Han­del, doch dafür habe ich noch keine Bestä­ti­gung fin­den kön­nen.

Granate 1892

Das US-​amerikanische Design-​Patent1 Nr. 21864 vom Sep­tem­ber 1892 beschreibt eine Vari­ante des als „Gra­nate“ bekann­ten Handspitzers.

Granate 1892

Hat die „Gra­nate“ auch heute noch vier Rän­de­lun­gen2, damit man sie gut grei­fen kann, ist der im Patent gezeigte Spit­zer mit vier Rin­gen aus jeweils acht Flä­chen ver­se­hen. Inter­es­san­ter­weise hebt Ste­phen A. Davis, der Inha­ber des Patents, her­vor, dass der Aus­schnitt für das Mes­ser nicht Bestand­teil sei­nes Designs ist. – Offen bleibt, ob die­ser Spit­zer tat­säch­lich pro­du­ziert wurde oder es bei dem Design-​Patent blieb.

Danke an Sean von Con­trap­un­ta­lism für den Hin­weis auf die­ses Patent!

  1. Ver­gleich­bar mit dem Geschmacks­mus­ter in Deutsch­land.
  2. Die Aus­füh­run­gen für Stifte mit einem Durch­mes­ser von bis zu 11 mm (z. B. diese) haben nur drei Rän­de­lun­gen.

Granate 1892

Meine Suche nach dem Ursprung des als „Gra­nate“ bekann­ten Hand­spit­zers dau­ert an. Ein neuer Fund führt in das Jahr 1892 und damit wei­ter zurück als bisher.

Mit „equal to the finest impor­ted“ bewar­ben Gree­nough, Hop­kins & Cus­hing im April 1893 den „Peer­less“, was die Ver­mu­tung nahe­legt, dass die­ser Spit­zer als Kon­kur­renz zu Import­ware antrat. Eine Bestä­ti­gung dafür fin­det sich in „The Ame­ri­can Sta­tio­ner“, Vol. 31, Nr. 13 vom 31. März 1982:

Granate 1892

Granate 1892

Die For­mu­lie­rung „which has heret­ofore been impor­ted“ belegt es – der „Peer­less“ (oder ein ähn­li­cher Spit­zer) musste also bis­her impor­tiert wer­den, und zwar aus Europa, wie es wei­ter heißt.

Einer Mel­dung in „The Ame­ri­can Sta­tio­ner“, Vol. 32, Nr. 18 vom 3. Novem­ber 1982, zufolge war das Unter­neh­men zehn Monate nach die­ser Mel­dung zur Aus­lie­fe­rung des „Peer­less“ bereit:

Granate 1892

Und auch hier der Hin­weis auf impor­tierte Spit­zer. Aber wel­che waren das? Einen klei­nen Hin­weis könnte diese Anzeige der B. Law­rence Sta­tio­nery Co., 224, 226 and 228 Centre Street, New York in The Ame­ri­can Sta­tio­ner, Vol. 31, Nr. 4 vom 28. Januar 1892, geben:

Granate 1892

Lei­der feh­len der Name und eine Angabe zur Her­kunft die­ses Modells. War es die­ses, zu dem der „Peer­less“ in Kon­kur­renz trat?

Granate 1892

Geht man davon aus, dass die Dar­stel­lung weit­ge­hend kor­rekt ist, fal­len die bei­den Schrau­ben auf. Die frü­hen Ver­sio­nen der „Gra­nate“ von Möbius+Ruppert und Möl­ler & Breit­scheid hat­ten ein Rän­del­rad und zwei Stifte, um das Mes­ser zu hal­ten, doch der Brinco „Sharpe-​Point“ nutzte zwei Schrau­ben. Führt die Spur nach England?

Janus 1

Ende Sep­tem­ber letz­ten Jah­res ist bei Pres­tel das Buch „Schreib­wa­ren. Die Rück­kehr von Stift und Papier“1 erschie­nen. Es geht (so der Ver­lag) auf die „neue Schreib­kul­tur“ und die Rück­kehr der „guten alten Schreib­ge­räte“ ein und ist mit sei­nem eher unge­wöhn­li­chen, aber brei­ten Spek­trum auch für die­je­ni­gen inter­es­sant, die bereits mit die­sem Thema ver­traut sind. Unein­ge­schränkt emp­feh­len kann ich es jedoch lei­der nicht, da man­che Dinge mei­ner Ansicht nach nur ober­fläch­lich abge­han­delt wer­den und eini­ges auf mich wie Wer­bung wirkt. Die Fülle und die Qua­li­tät der Fotos sind aller­dings beein­dru­ckend, und auch die Gestal­tung ist sehr ansprechend.

Janus 1

Zum Grö­ßen­ver­gleich ein Tom­bow MONO 100.

Ich habe mit einem Kapi­tel über den als „Gra­nate“ bekann­ten Hand­spit­zer zu die­sem Buch beigetragen.

Janus 2

Bei der Lek­türe bin ich auf Seite 49 über „Janus 1“ gestolpert.

Janus 3

„Janus 1“ stimmt natür­lich nicht, denn der gezeigte Spit­zer ist ein Janus 4048. Doch warum hat er eine Torx­schraube? Genau, weil es mein Exem­plar ist, bei dem ich die ori­gi­nale Schlitz­schraube über­dreht und durch eine Torx­schraube ersetzt habe.

Janus 4

Faber-​Castell Janus 4048 und Möbius+Ruppert 604 („Gra­nate”) aus „Top Two (2)“

Das ver­wen­dete Foto stammt aus mei­nem Bei­trag „Top Two (2)“. Man hatte es sich wegen der „Gra­nate“ geben las­sen, dann aber nur den Janus 4048 benutzt – aller­dings ohne dies anzu­spre­chen, und so konnte ich weder auf die Schraube hin­wei­sen noch ein Foto eines ori­gi­na­len Janus 4048 anbie­ten (wahr­schein­lich hätte dann auch die kor­rekte Bezeich­nung die­ses Spit­zers ins Buch gefunden).

Janus 5

Janus 1 (Ori­gi­nal und Abbild)2

So kön­nen alle Leser die­ses Buches mei­nen per­sön­li­chen Janus 4048 bewun­dern, den ich ab jetzt „Janus 1“ nen­nen werde (nein, ich mache mich nicht über die­sen Feh­ler lus­tig3).

Janus 6

Janus 1 und Janus 4048 in trau­ter Zweisamkeit

Nicht jedem Spit­zer wird eine sol­che Ehre zuteil!

  1. Luca Ben­dandi, John Z. Komurki: Schreib­wa­ren. Die Rück­kehr von Stift und Papier. Pres­tel 2016, ISBN 978-​3-​7913-​8268-​5.
    Luca Ben­dandi, John Z. Komurki: Sta­tio­nery Fever. From Pen­cils to Paper Clips and Ever­y­thing In Bet­ween. Pres­tel 2016, ISBN 978-​3-​7913-​8272-​2.
  2. Das Mes­ser ist ein ande­res, weil ich es inzwi­schen aus­ge­tauscht habe. – Man beachte auch die bei­den Spu­ren an den hin­te­ren hohen Stel­len; diese kom­men vom Leder­etui.
  3. Er wäre auch sehr leicht ver­meid­bar gewe­sen.

Granate 1893

Ein wei­te­res Puz­zle­stück in der Geschichte des hier­zu­lande als „Gra­nate“ bekann­ten Hand­spit­zers: Diese Anzeige in „The Ame­ri­can Sta­tio­ner“, Vol. 33, Nr. 15 vom 13. April 1893.

Granate 1893

Das ist die älteste mir bekannte Dar­stel­lung des „Granate“-Designs1 (zylin­drisch, vier Rän­de­lun­gen und ver­jüng­tes Ende).

Inter­es­sant finde ich die Aus­sage „Equal to the finest impor­ted“. War der „Peer­less“ etwa das im Inland gefer­tige Kon­kur­renz­pro­dukt für impor­tierte Spit­zer, dar­un­ter die „Gra­nate“? Wenn ja: Woher kam sie? Wer hat das Design erdacht und sie gefer­tigt? Wel­che Fir­men haben sie ver­trie­ben und expor­tiert? Eine wei­tere Recher­che lohnt sicher.

Danke an Sean von Con­trap­un­ta­lism für den Hin­weis auf die Anzeige!

Nach­trag vom 18.5.23: Der „Peer­less“ wurde nicht erst am 13. April 1893 bewor­ben, son­dern schon fast ein Jahr frü­her, wie diese Anzeige in „The Ame­ri­can Sta­tio­ner“, Vol. 31, Nr. 14 vom 7. April 1892 belegt.

Peerless 1892

  1. Das Early Office Museum führt in der Rubrik „Small Pen­cil Shar­pe­ners“ einen sehr ähn­li­chen „Ame­ri­can Car­tridge Pen­cil Shar­pe­ner“ von Eber­hard Faber auf und gibt das Jahr 1892 an, doch lei­der fehlt eine Quel­len­an­gabe. – Siehe auch „Gra­nate 1892–1895“.

Ein außergewöhnlicher Spitzer

Es begann mit Schlüs­seln. Joshua Tha­cker, Künst­ler und Juwe­lier aus Ken­tu­cky, USA, ver­zierte erst seine Schlüs­sel, dann die eini­ger Freunde mit Gra­vu­ren; spä­ter folg­ten viele Auf­trags­ar­bei­ten. Man­che die­ser Schlüs­sel öff­ne­ten kein Schloss, hat­ten aber einen sym­bo­li­schen Wert und erfreu­ten auch die­je­ni­gen, die sich ansons­ten nichts aus Schmuck machen. Der Auto­di­dakt liebt es zudem, All­tags­ge­gen­stände in außer­ge­wöhn­li­che Stü­cke zu ver­wan­deln, und wid­mete sich kürz­lich dem als „Gra­nate“ bekann­ten Spit­zer­klas­si­ker von Möbius+Ruppert.

Ein außergewöhnlicher Spitzer

Er fin­det, dass Blei­stift­spit­zer zu den Gegen­stän­den gehö­ren, die auf­grund ihrer Funk­tion und des­sen, was sie für Künst­ler und Kunst­hand­wer­ker bedeu­ten, nicht nur Werk­zeug, son­dern auch Lein­wand sein kön­nen. Die­ser kleine, nüch­terne Gegen­stand, so Joshua Tha­cker wei­ter, ging vie­len schö­nen Meis­ter­werke und gro­ßen Leis­tun­gen der Mensch­heit vor­aus, so dass er eine beson­dere Bear­bei­tung in jeder Form verdient.

Ein außergewöhnlicher Spitzer

Der Künst­ler, der sich von den unter­schied­lichs­ten Din­gen in sei­nem Umfeld inspi­rie­ren lässt, arbei­tet in ver­schie­de­nen Sti­len, bevor­zugt aber Steam­punk, Art Deco und Indus­trial. Seine Werke bie­tet er auf Etsy an; Son­der­wün­schen gegen­über ist er aufgeschlossen.

Ein außergewöhnlicher Spitzer

Die gra­vierte „Gra­nate“ wird auf Kun­den­wunsch ange­fer­tigt (die hier gezeigte gehört dem Künst­ler) und kann mit zwei oder drei Buch­sta­ben per­so­na­li­siert wer­den. Das Werk kos­tet umge­rech­net etwa 54 Euro inklu­sive Spit­zer plus Ver­sand; güns­ti­gere Vari­an­ten mit weni­ger Gra­vur sind in Planung.

Ein außergewöhnlicher Spitzer

Die Arbeit und die Gedan­ken des Künst­lers gefal­len mir sehr gut, und so habe ich bereits die Gra­vur eines Pol­lux in Auf­trag gegeben.

Vie­len Dank an Joshua Tha­cker für die Fotos!

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