Spurensuche
Nach wie vor unbekannt ist mir der Ursprung des unter dem Namen „Granate“ bekannten Handspitzers, und so greife ich zu allem, was Aufschluss geben könnte. Zwei Funde der jüngsten Zeit liefern interessante Details.
Das „Handbuch für Papier und Bürobedarf“ von Dipl.-Hdl. Franz Karl Reckert, einem gut 600-seitigen Fachbuch für den Bürobedarfs- und Papierwarenhandel aus dem Max Schwabe Verlag, erschienen im Jahre 19491, nennt und zeigt die „Granate“ in der Rubrik „Bleistiftanspitzer“.
Bemerkenswert ist der Hinweis darauf, dass dieser Spitzer vor etwa 60 Jahren, also um 1889 in den Handel gekommen sein soll.
Die „Kleine Anspitzer-Fibel“ von Leonhard Dingwerth nennt als Erfinder der „Granate“ den Franzosen de Thierry; das Patent soll er am 14. April 1847 erhalten haben. Die Fibel enthält zwei Anzeigen von 1900 und 1925, die mit dem Namen „Granate“ werben, doch dieser wurde erst 1939 als Warenzeichen für Möller & Breitscheid eingetragen. War er schon früher üblich, aber nicht als Marke registriert? Weiter heißt es dort, die „Granate“ wäre ab ca. 1847 von Möller & Breitscheid hergestellt worden, was jedoch im Widerspruch zum „Handbuch für Papier und Bürobedarf“ steht. Hinzu kommt, dass Möller & Breitscheid keine eigene Produktion hatte, sondern nur eine Vertriebsfirma war.
Mir neue Informationen lieferte der Artikel „Constant de Thierry des Estivaux, Marquis de Faletans – Inventor of the Pencil Sharpener“ von Rupert Willoughby, veröffentlicht im Juli 2011.
Constant de Thierry des Estivaux2, geboren 1797 in Paris, erhielt 1839 sein erstes Patent. Nach einer weiteren Erfindung im Jahr 18463 folgte 1847 das dritte Patent, diesmal für einen rohrförmigen Bleistiftspitzer mit kegelförmiger Bohrung und einem Messer4. Wie dieser aussah, müssten die Patentunterlagen zeigen5, doch wer hat diesen Spitzer wann und wo erstmals gefertigt? Wie kam das Design6 dann zu Möbius+Ruppert und dem Hersteller, der Möller & Breitscheid beliefert hat? Hat vielleicht Möbius+Ruppert für Möller & Breitscheid produziert?
Es gibt noch einige Spuren zu verfolgen!
Nachtrag vom 23.3.15: Die „Granate“ stammt nicht von Constant de Thierry des Estivaux; Details zu seiner Erfindung gibt es hier.
- Vorläufer waren das Handbuch für den Bürobedarfs- und Papierwarenhandel von Dr. Hermann Wildt, Arthur Guthke und Dipl.-Hdl. Franz Karl Reckert, erschienen 1939 im Max Schwabe Verlag (Berlin), sowie das Handbuch des Papier- und Schreibwarenhandels, herausgegeben vom Reichsbund Deutscher Papier- und Schreibwarenhändler e.V. und erschienen 1928 im Verlag Der Papierhändler GmbH (Würzburg). – Diese drei Bücher unterscheiden sich deutlich. Das erste hat im Gegensatz zum zweiten und dritten keine Abbildungen, und nur das dritte zeigt die „Granate“; zudem wurde es über Anzeigen mitfinanziert (z. B. mit dieser für die Argument-Füllhalterfabrik).↩
- Der Name Thierry des Estivaux wird auch im Buch „Potloden & Puntenslijpers“ von Paul Dirks und Toon Kessels erwähnt. – Als Erfinder des ersten Bleistiftspitzers, der unserem heutigen jedoch gar nicht ähnlich sieht, wird oft der Franzose Bernard Lassimonne (auch Lassimone) genannt; sein Patent mit der Nummer 2444 soll aus dem Jahr 1828 stammen (siehe dazu diese Quelle).↩
- Seine ersten beiden Erfindungen hatten nichts mit Bleistiften und Spitzern zu tun.↩
- Laut dem Stadtlexikon des Stadtarchivs Erlangen hat Theodor Paul Möbius (1868–1953) im Jahr 1908 den kegelförmig gebohrten Bleistiftspitzer erfunden und noch im selben Jahr mit der industriellen Fertigung begonnen. Ging es bei seiner Erfindung vielleicht eher um die Produktionstechnik? Auch hier lohnt sicher ein genauer Blick. – Das Unternehmen Möbius+Ruppert wurde 1922 von Alfred Möbius, einem Bruder von Theodor Paul Möbius, und Heinrich Ruppert gegründet; Theodor Paul Möbius‘ Betrieb ging nach finanziellen Schwierigkeiten 1983 in die Auffanggesellschaft DUX GmbH über.↩
- Diese aufzutreiben dürfte eine interessante Herausforderung sein.↩
- Man beachte die Unterschiede der alten Modelle – die gerändelte Schraube der älteren Variante wurde später durch eine geschlitzte ersetzt, und auch das Messer bekam eine andere Form.↩