Presseschau
„In der Wochenend-Beilage der FAZ steht etwas über den Palomino Blackwing 602″, sagte man mir, und ich habe mir diese Ausgabe1 geholt. Vorweg: Es hat sich nicht gelohnt.
Die Vorgeschichte: Der Blackwing 602 von Eberhard Faber kam 1934 in den USA auf den Markt und wurde bis 1998 produziert. Er gilt zu Recht als einzigartig, hat sehr viele Fans und erzielt bei Auktionen immer wieder hohe Preise. California Cedar, Lieferant von Bleistiftbrettchen und Anbieter von Bleistiften, hat 2010 die Rechte am Namen „Blackwing“ erworben und wenig später erst den Palomino Blackwing und dann den Palomino Blackwing 602 herausgebracht. Das Marketing für diese Bleistifte suggerierte unter anderem, als würde der alte Blackwing 602 wieder produziert (was nicht stimmt). Man führte auch berühmte Autoren, Komponisten usw. als Blackwing-Nutzer auf, die jedoch in manchen Fällen noch nicht einmal den Blackwing 602 von Eberhard Faber, geschweige denn die Kopie von CalCedar benutzt haben (mehr dazu unter „Facts, Fiction, and the Palomino Blackwing Experience“ auf The Blackwing Pages).
Im Artikel „Eine schöne Handschrift“ in der Rubrik „Das will ich haben“ schwärmt der Autor davon, „welches Vergnügen es bereitet, mit einem Bleistift zu schreiben, dessen Seele aus japanischem Graphit gefertigt ist“, doch soweit ich weiß, kommt der Graphit im Palomino Blackwing nicht aus Japan2. „Nach altem Rezept wird Wachs zugegeben, um einen noch weicheren Lauf zu erzeugen“, heißt es weiter, aber es fehlt der Hinweis darauf, dass die Imprägnierung mit Wachs (genauer: Paraffin) nichts Blackwing-typisches, sondern bei Bleistiften üblich ist und der Hersteller des Palomino Blackwing die Minenrezeptur des Originals von Eberhard Faber nicht kennt.
Der Autor ist begeistert: „Mag sein, dass die Euphorie beim Schreiben mit dem Blackwing auch dem feierlichen Gefühl geschuldet ist, mit einem Werkzeug zu arbeiten, mit dem John Steinbeck seine »Straße der Ölsardinen« geschrieben und Leonard Bernstein die Noten seiner »Westside Story« aufs Papier gesetzt hat.“3 Dies erinnert an das Marketing von Moleskine, das den Eindruck erweckt, Ernest Hemingway hätte ein Moleskine-Notizbuch gehabt. Es folgt das altbekannte Witzchen mit dem Radierer als „Delete-Taste“ am Ende des Bleistifts und die an junge Leute gerichtete Beschreibung eines Spitzers4, und ich frage mich, für wie dämlich der Leser gehalten wird. Mit der Behauptung „Das Unternehmen nahm die Tradition von Eberhard Faber wieder auf“ folgt der Autor treu dem irreführenden Marketing von CalCedar – da freue ich mich, dass der Artikel so kurz ausgefallen ist.
Ich habe natürlich nicht erwartet, dass der Autor z. B. auf den kulturellen Vandalismus durch CalCedar eingeht, doch etwas Besseres als reines Marketinggeschwurbel mit sachlichen Fehlern hätte ich der FAZ schon zugetraut.
- 17. Juni 2017.↩
- Immerhin wird dieser Bleistift in Japan hergestellt, nämlich von der KITA-BOSHI Pencil Co., Ltd.↩
- Hier war der Autor pfiffig, denn mit „Werkzeug“ hat er vermieden zu sagen, dass die genannten Personen den Palomino Blackwing benutzt haben.↩
- Warum sollen junge Leute keinen Spitzer mehr kennen?↩