Vermischtes
Römisch Linkskursiv (3)
Meine Suche nach den Ursprüngen der früher in topografischen Karten genutzten Schrift „Römisch Linkskursiv“ dauert an. Nach zwei Beiträgen mit allem, was ich bis jetzt zusammentragen konnte, hatte ich nun das Glück, von meinem Leser Herbert R. Scans von vier Seiten der „Musterblätter für topographische Arbeiten des Königlich Preußischen Generalstabs“ in der 11. Auflage aus dem Jahr 1904 zu bekommen. Diese sind hauptsächlich deshalb interessant, weil sie frühe Muster der linkskursiven Schrift sowie Beispiele für ihren Gebrauch zeigen, die in der ersten Ausgabe von 1818 (Nachdruck 1989) noch nicht enthalten waren. Dies lässt vermuten, dass die „Römisch Linkskursiv“ im 19. Jahrhundert Verbreitung fand.
Seite VI der Musterblätter enthält Schriftmuster. Die „Römisch Linkskursiv“ gibt es dort als „Rückwärts liegende Kapitalschrift“ (Majuskeln, Großbuchstaben) und „Rückwärts liegende römische Schrift“ (Minuskeln, Kleinbuchstaben). Da es je nach Bundesland und zuständigem Amt eine eigene Form der „Römisch Linkskursiv“ gab, finden sich Abweichungen zu anderen linkskursiven Schriften. – Zu sehen ist hier auch eine mir bisher unbekannte schraffierte Variante.
(zum Vergrößern anklicken)
Wie die anderen erfreut Seite VII durch ihren Visualisierungsstil.
Das Diagramm zum Schraffierungsverhältnis der Böschungen hat es mir besonders angetan.
Auch wenn mich diese Blätter mit ihrer Ästhetik sehr ansprechen, so will ich mich nicht in zahlreichen Ausschnitten ergehen, sondern es hauptsächlich bei denen mit der „Römisch Linkskursiv“ belassen (weitere Details könnten Inhalt eines anderen Beitrags werden). – Seite III mit den Gewässern ist sicher die aufwändigste …
… und natürlich die mit den Anwendungsbeispielen für die „Römisch Linkskursiv“.
Hier fallen einige Unterschiede zur den Schriftmustern auf: So hat z. B. das f eine Unterlänge, die meisten Buchstaben einen geschwungenen Auslauf und das e einen gekrümmten Überlauf.
Neben dem zweistöckigen a gibt es (wegen der Buchstabenhöhe?) das einstöckige, und das K hat gleich eine ganz andere Form. – Hier der einzige Auftritt der schraffierten Ausführung:
Nicht minder bemerkenswert ist Seite VII mit den Wohnstätten und deren Umgebung.
Ich wünschte, mit den Augen eines Kulturhistorikers oder mit denen eines mit der Geschichte seiner Profession vertrauten Kartografen schauen und noch viel mehr entdecken zu können.
Danke an Herbert R. für die Scans!
Spitzen und speisen
Die Ästhetik des Bleistiftspitzers und seiner Späne bringt der karoto in die Küche. Das von Avichai Tadmor aus Israel gestaltete Utensil schält und schneidet Längliches wie z. B. Karotten und gibt damit Leckerem eine ungewohnte, aber attraktive Form. – Der karoto ist in Gelb und Schwarz bei Monkey Business für 12 Euro erhältlich.
Danke an Max für den Hinweis!
Römisch Linkskursiv (2)
Manche Dinge lassen mir keine Ruhe, so auch die Frage nach der Herkunft der auf topografischen Karten – und nur dort – verwendeten Schrift „Römisch Linkskursiv“1.
Ausschnitt der topografischen Karte für Groß-Gerau (© Hessisches Landesvermessungsamt 1997)
Die dieser Schrift eigene Ästhetik hat es mir angetan2. Schon einmal habe ich etwas über sie geschrieben; in der Zwischenzeit hatte ich das Glück, mehr zu erfahren.
Ausschnitt der topografischen Karte für Groß-Gerau (© Hessisches Landesvermessungsamt 1997)
Die linksgeneigten Buchstaben stammen nicht immer aus typografischen Satzschriften, sondern wurden besonders bei alten Karten nur für diese graviert, gezeichnet oder geschrieben. Die typografische Erstellung der Kartenbeschriftung wurde erst mit dem Fotosatz rentabel möglich; dass es die „Römisch Linkskursiv“ bereits zu Zeiten des Bleisatzes gab, darf bezweifelt werden. – Den Prototypen eines Fotosatzapparates entwickelte Ing. Hugo Heine in den 1950er Jahren beim Braunschweiger Westermann-Verlag. Dieser Prototyp wurde später von der H. Berthold AG zur Diatyp weiterentwickelt und 1958 auf der DRUPA vorgestellt. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist ein Kommentar von Stephen Coles bei Typophile, in dem er Erik Spiekermann zitiert:
These used to be the fonts cartographers used. Left-leaning italic for rivers, etc. They used to be engraved, thus the look. Berthold used to credit them with the administration responsible for the standard, i.e. Bayerisches Landesvermessungsamt (Bavarian Office for Land Registry or something — the state cartography office). They’re really cool and i’ve been meaning to use them for years. I set maps with that stuff on a Diatype, back in the 60s (i know, i know…)
Ausschnitt der Legende zur topografischen Karte für Bad Karlshafen (© Niedersächsisches Landesvermessungsamt 1987)
Offenbar gab es nicht nur eine linkskursive Kartenschrift, sondern verschiedene, je nach Bundesland und zuständigem Amt. Wer diese nie frei erhältlichen Schriften gestaltet hat, ist nicht überliefert (Linotype nennt daher lediglich „German Cartographic Design“). In die digitale Zeit geschafft haben es nur zwei Schriften mit generischem Namen, nämlich „Römisch“ und „Kursivschrift“; von beiden gibt es auch einen linksgeneigten Schnitt.
Römisch Rückwärts Liegend (Linotype)
Kursivschrift Rückwärts Liegend (Linotype)
Wer sich einige Originale anschauen möchte, wird im Musterblatt für die Topografische Karte 1:25000 fündig. Dieses zeigt auf Seite 58 alle Varianten der linkskursiven Schrift und macht Angaben zu ihrer Verwendung.
Schriftmuster für Gewässernamen (Ausschnitt des Musterblatts für die Topografische Karte 1:25000; Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage 1993)
Spannend wäre ein Besuch der Bibliothek des Georg-Eckert-Instituts in Braunschweig, wo unzählige alte Karten einsehbar sind. – Vielen Dank an Indra Kupferschmid, Florian Hardwig und Jürgen Siebert für die interessanten und hilfreichen Details!
Nachtrag vom 21.9.12: Weiter geht’s unter „Römisch Linkskursiv (3)“.
- Ich weiß nicht mehr, woher ich diesen Namen habe. Auch wenn jetzt ein anderer vielleicht besser passen würde, so behalte ich ihn wegen der Konsistenz bei.↩
- Nicht nur die Ästhetik dieser Schrift, sondern auch die der topografischen Karten allgemein finde ich sehr reizvoll. Schade, dass deren Gestaltung nach und nach geändert wird und unzählige schöne Details der Vereinfachung zum Opfen fallen.↩
Unter der Lupe
Hin und wieder kommen hier kleine Dinge groß raus, so auch heute ein Stück dünnes Papier des Bürogeräteherstellers F. Soennecken.
Friedrich Soennecken, der sein Unternehmen 1875 gründete, erfand die Gleichzugfeder, deren einheitliche Strichstärke eine wichtige Voraussetzung für die bis heute üblichen Ausgangsschriften war. – Alter und Zweck dieses nur 22 mm kleinen Drucks kenne ich nicht; gut möglich, dass man ihn zur Reklame nutzte.