Kultur
„Unsere neue Nummer“
Aus der Zeit, in der Telefone noch Wählscheiben hatten und nicht mobil waren, stammt diese Postkarte. Sie wurde von der Österreichischen Verkehrswerbung Ges.m.b.H. im Auftrag der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung herausgegeben und all denen angedient, die ihre neue Rufnummer bekannt geben wollten.
Hier war ein wahrer Meister der Gebrauchsgrafik am Werk – man betrachte nur die Schatten und die Glanzlichter auf der Wählscheibe. Doch auch der mit einem Messer gespitzte Bleistiftstummel zeichnet sich durch bemerkenswerte Details aus: Wer einmal einen Bleistift eingekerbt hat, weiß, dass der Lack am Rand der Kerbe unregelmäßig abplatzen kann. Dies ist ebenso zu sehen wie die Trennlinie zwischen den Holzhälften und die Orientierung des Lacks an der Stelle, wo das Licht ihn glänzen lässt.
Die Rückseite der Karte ist unspektakulär und teilweise liniert, doch ein Ausschnitt sei gezeigt:
Für mich ist das keine einfache Reklame-, sondern eine Kunstpostkarte!
文具上手
„文具上手“ (bungu uwate), in etwa „Gekonnter Umgang mit Schreibwaren“1, heißt das sechste Buch des japanischen Autors Tadashi Tsuchihashi, für das er zwölf Personen u. a. aus der Mode, der Medizin, der Schreibwarenbranche und der Buchhaltung zu ihrem Umgang mit Schreibwaren befragt hat. Einen kleinen Eindruck vermittelt die Produktseite bei Amazon Japan. – Auf dieses Buch aufmerksam wurde ich durch einen Beitrag im lesenswerten Blog Scription.
Und jetzt weiß ich nicht, was mich mehr wurmt: Dass ich kein Japanisch kann oder dass es hierzulande niemanden gibt, der solche Bücher schreibt. Aber nein, natürlich wurmt es mich nicht – schließlich könnte ich versuchen, beides zu ändern (ob mit Erfolg, steht jedoch auf einem anderen Blatt).
- Die der japanischen Sprache Kundigen mögen über kleine Ungenauigkeiten hinwegsehen, mich aber bitte auf grobe Fehler hinweisen.↩
Handwerk in Nürnberg
Unter dem Titel „Handwerk in Nürnberg – Vom Mittelalter bis zur Neuzeit“ erschien vor wenigen Wochen im Verlag Hans Müller ein reich bebilderter Band zur Geschichte des Nürnberger Handwerks. Darin vertreten ist natürlich auch der Bleistiftmacher, und so musste ich dieses Buch unbedingt haben.
Das 24,5 × 24,5 cm große Buch mit festem Einband und Schutzumschlag hat 192 Seiten mit zahlreichen Fotos und farbigen Abbildungen, darunter viele historische Illustrationen, und beschreibt das Nürnberger Handwerk seit dem 14. Jahrhundert. Nach der Geschichte geht es auf Handwerksverordnungen und Besonderheiten des Nürnberger Handwerks ein und stellt die Ausbildung, das Brauchtum, das kirchliche und politische Leben sowie gesellschaftliche Aspekte ausführlich dar.
Eine herausragende Stellung im Nürnberger Handwerk des 14. bis 16. Jahrhunderts hatten die metall- und textilverarbeitenden Gewerbe, und im 16. Jahrhundert erlangten die Nürnberger Goldschmiede und Zinngießer europäische Spitzenpositionen. Im 18. Jahrhundert war Nürnberg ein Zentrum der Drahtproduktion; auch der Musikinstrumentebau war ein europaweit bedeutender Handwerkszweig.
Schon früh begann man, Erfindungen zu überwachen. Die sogenannten gesperrten Handwerke, zu denen auch die 1731 als geschworenes Handwerk anerkannten Bleistiftmacher gehörten, durften nur von Nürnberger Handwerkern ausgeübt werden; zudem bestanden Wanderverbot und andere Einschränkungen wie z. B. das Verbot, Werkzeuge nach draußen, also aus Nürnberg heraus, zu verkaufen. Die sicherte anfangs Nürnbergs Position, schloss die Handwerker jedoch später von Weiterentwicklungen aus.
Im Kapitel „Handwerk und Industrie“ wird die Entwicklung wichtiger Nürnberger Handwerkszweige beschrieben. Neben den Buchdruckern, Bierbrauern, Lebküchnern und Metzgern gehörten dazu auch die Bleistiftmacher. Letzteren sind 16 Seiten gewidmet, auf denen auf die Geschichte dieses Handwerks im Allgemeinen und die Firmen STAEDTLER und Faber-Castell im besonderen eingegangen wird. Wer bereits einiges über den Bleistift und diese Unternehmen gelesen hat, wird hier nur wenig neues erfahren, doch die Auswahl und die Präsentation der Informationen gefallen mir. Die Frage, warum sich ausgerechnet Nürnberg zum deutschen Zentrum der Bleistiftproduktion entwickelt hat – Ende des 19. Jahrhunderts gab es dort 23 Bleistiftfabriken –, beantwortet das Buch leider nicht.
Als eine große Enttäuschung empfinde ich das Kapitel zum Druckunternehmer Willmy. Während die anderen Firmenportraits sachlich und neutral verfasst sind, besteht dieses aus hohlen Marketing-Phrasen; mein Eindruck, dass man vorhandene Werbetexte weitgehend unverändert übernommen hat, wurde durch einen kurzen Besuch der Firmenwebsite bestätigt. Ich finde das Geschwafel unerträglich und halte es für fehl am Platz. – Das Kapitel „Auf den Spuren des Handwerks in Nürnberg“ macht Lust auf einen Rundgang durch die Stadt.
Michael Diefenbacher, Horst Dieter Beyerstedt, Bianca Bauer-Stadler, Petra Kluger: Handwerk in Nürnberg – Vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Nürnberg: Verlag Hans Müller, 2013. ISBN 978-3-924773-02-1, Preis 24,80 Euro; Bestellung direkt beim Verlag möglich (+ 4,50 Euro Versandkosten).
Zeichen setzen
The Noun Project hat sich vorgenommen, die Kommunikation durch Symbole zu vereinfachen. Die Idee ist nicht neu, doch das Vorhaben des Projekts ehrgeizig: Man möchte die visuelle Sprache der ganzen Welt in einer einzigen Datenbank zusammenstellen, organisieren und frei verfügbar machen. Sehr beeindruckend!
Der Bleistift im Noun Project
Kleine Hand (2)
Zu meinen zahlreichen Obsessionen gehört die Zeigehand. Hat sie mich in meiner Jugend durch ihre Ästhetik angesprochen und u. a. als Stempel erfreut, so habe ich später bemerkenswerte Details aus ihrer über 900-jährigen Geschichte erfahren. Dies und mein Interesse an Typografie lässt mich seitdem zu allem greifen, was sich mit ihr befasst.
„Shady Characters: The Secret Life of Punctuation, Symbols, & Other Typographical Marks“ von Keith Houston, erschienen im September 2013 bei Particular Books (UK) und W.W. Norton (USA), ist nicht nur wegen des Kapitels „The Manicule“1 sehr lesenswert. Jedem, der sich für die Geschichte der Satz- und Sonderzeichen interessiert, sei dieses hervorragend aufgemachte Buch wärmstens empfohlen; auch der Besuch des Weblogs Shady Characters, das diesem Buch vorausging, lohnt sehr.
„The Typophiles“, ein loser Zusammenschluss von an Typografie, Druck und Büchern Interessierten, trafen sich zum ersten Mal in den 1930er Jahren in New York. 1935 begann man mit der Veröffentlichung sogenannter „chap books“, die zunächst nicht nummeriert waren, da man noch nicht an eine Serie dachte. 1940 führte man die Nummerierung ein, und 1942 erschien Band 7, „Roman Numerals, Typographic Leaves and Pointing Hands. Some Notes on their Origin, History and Contemporary Use“ von Paul McPharlin2.
McPharlin war möglicherweise der erste, der sich eingehend mit der Zeigehand befasst hat, und so ist dieses Büchlein für mich ein ganz besonderes, auch wegen der geringen Auflage von nur 495 Exemplaren3.
Es gibt so viel zu entdecken!
- Einen Auszug gibt es unter „The Mysterious Manicule“.↩
- Paul McPharlin war übrigens hauptberuflicher Puppenspieler und Mitbegründer der Puppeteers of America.↩
- Die ersten 395 Exemplare waren durchnummeriert und gingen an Mitwirkende und Abonnenten; 100 kamen in den Verkauf.↩
Musen 2014
Waren es in der griechischen Mythologie nur neun Schutzgöttinnen der Künste, so lässt der Künstler Dominik Hüfner aus Seeheim-Jugenheim bei Darmstadt gleich zwölf auftreten: Sein Wandkalender „Musen 2014“ zeigt jeden Monat eine davon beim ungewöhnlichen Umgang mit Zeichen- und Malzubehör.
Der Kalender wird präsentiert bei Format (Halle 4.0, Stand H 71), einem Fachgeschäft in Darmstadt, das den neuen Füllfederhalter SUPER5 mit Schönschreibfeder und die pfiffige Lernuhr „Zeitzünder“ vorstellt. Zu sehen gibt es dort auch die hochwertigen Papierprodukte vom Papierlabor und einiges aus dem Sortiment von Kaweco.
Dominik Hüfner bei der Arbeit am Messestand
Eine Übersicht aller Blätter hängt am Messestand aus und wird in Kürze auf der Website des Künstlers veröffentlicht.
Der Tanz am Bleistift …
… und der Ritt auf dem Radierer
„Musen 2014“ kann auf der Buchmesse, die am kommenden Wochenende (12./13.10.) für alle Besucher geöffnet ist, am Stand von Format (Halle 4.0, Stand H 71) zum günstigen Messepreis von 22 Euro erworben werden; danach gibt es ihn bei Dominik Hüfner direkt und bei Format in Darmstadt.
Meine Empfehlung: Kaufen, aufhängen und auf 2014 freuen!
Sommer!
Nicht nur bei diesen Temperaturen die perfekte Kombination: Ein von meinem sehr kreativen Kollegen Dominik Hüfner gestaltetes T-Shirt und eine hessische Erfrischung.