Am Anfang war der Graphit. Man nahm ihn in Stücken, später umwickelt oder anderweitig geschützt zur Hand, und erst Ende des 17. Jahrhunderts schnitt man das schwarze Gold, so wie es aus der Grube kam, in Streifen und fasste es in Holz. Als der reine Graphit aus Borrowdale knapp wurde und Exportbeschränkungen die Situation verschärften, war man auf den kontinentaleuropäischen Graphit angewiesen. Dieser musste jedoch gemahlen und gereinigt werden, bevor man ihn verarbeiten konnte, und dabei begann man, ihn zu strecken: Mit Schwefel, Gummi, Schellack und Fischleim, aber auch mit Blei, Silber, Zink, Antimon, Wismut, Zinn und Quecksilber. Die Ergebnisse indes waren enttäuschend.
Erfolg hatte schließlich Nicolas-Jacques Conté im Jahre 17951. Er mischte den Graphit mit Ton und konnte damit gleichzeitig die Härte steuern. Nach dem Brennen der Mischung dient der Ton als Gerüst für den Graphit, wobei die Mine umso härter ist, je mehr Ton sie enthält (bei gleichen Teilen Graphit und Ton erhält man etwa den Härtegrad 3H). Dies war nicht nur die Geburt des modernen Bleistifts, wie wir ihn heute kennen und schätzen, sondern auch der Beginn einer anhaltenden Verwirrung um den Härtegrad.
Warum Verwirrung? Nun, trotz zahlreicher Bemühungen gibt es nach wie vor keinen herstellerunabhängigen Standard, und wer einmal Bleistifte unterschiedlicher Herkunft, aber gleichen Härtegrads verglichen hat, kennt die verblüffend großen Abweichungen; obendrein beeinflussen Fertigungsschritte wie das Paraffin-Tauchbad oder Beimengungen z. B. von Ruß das subjektive Empfinden der Härte. – Doch zurück zur Geschichte.
Conté war es auch, der mit einer Kennzeichnung begann. Sein härtester Bleistift trug die „1“, und je weicher die Mine, desto größer war die Zahl. Die heute übliche Benennung des Härtegrads geht vermutlich auf den englischen Bleistiftmacher Brookman zurück, der im frühen 19. Jahrhundert seine Stifte für Künstler mit „B“ (black) und die der technischen Zeichner mit „H“ (hard) versah; dies könnte zudem die Asymmetrie erklären. Der schon damals populärste Bleistift hatte eine Härte zwischen H und B, was ihm den Grad HB eintrug. Später folgte noch F (firm) für den Stift mit einer Mine zwischen H und HB.
So wie J.S. STAEDTLER im Katalog von 1909 (zurzeit als Kopie in Nürnberg zu sehen) verfuhren auch andere – je weicher, desto mehr B, und je härter, desto mehr H. Lediglich Joseph Dixon in den USA entschied sich zunächst für „S“ (soft) und „H“ (hard), wobei der weichste Bleistift VVS (very, very soft) und der härteste VVVH (very, very, very hard) war. Als die Skala der Härtegrade wuchs, wichen die vielen Buchstaben anderen Benennungen wie z. B. „Extra Extra Black“ (erst EX-EXB, dann EEB und EE, dem heutigen 8B). Die einfache Zahl blieb lange im Gebrauch, und daneben etablierte sich die jetzt vertraute Kombination aus Zahl und Buchstabe (xH,xB); zum Ursprung letzterer konnte ich in meinen Quellen allerdings keine Details finden. Manche Hersteller nutzen beides, etwa STAEDTLER beim Noris 120 und STABILO beim Opéra und Othello.
Doch es gibt immer noch Abwechslung – Bruynzeel, seit 1991 Teil von Sakura, hat die Grade 1B und 1H im Sortiment, STABILO übersetzt HB mit 2½ und bei den Feinminen von Pentel und Tombow findet man HB in drei Varianten.
Danke an STAEDTLER für den Scan! – Die für den Beitrag am stärksten geplünderte Quelle ist „Der Bleistift“ von Henry Petroski (Birkhäuser 1995).
Nachtrag vom 17.5.10: Details zum Gebrauch der kyrillischen Zeichen zur Kennzeichnung des Härtegrads in Russland gibt es hier. Danke an Stephen für diesen Hinweis! – Härtegrad mal anders: Die Firma Elcometer nutzt Bleistifte zur Ritzhärteprüfung von Oberflächen nach ISO 15184, so im Bleistifthärte-Prüfer 501 oder im Motorischen Bleistifthärte-Prüfer 3086.
Nachtrag vom 4.2.11: Auch B++ gibt es, wie hier beim Zoom Super Dark von DOMS:
Nachtrag vom 1.8.11: Dr. Eugen Ryschkewitsch schreibt in seinem Buch „Graphit – Charakteristik, Erzeugung, Verarbeitung und Verwendung“ (S. Hirzel 1926):
Die härtesten Bleistifte enthalten nur etwa 20 Proz. Graphit, sehr weiche enthalten bis etwa 90 Prozent Graphitsubstanz und mehr. Besonders weiche Stifte bestehen aus reinem Graphit, wie z. B. solche aus dem Batugol- (sogenannten „Alibert“-) Graphit. Hier ist der Graphit so homogen, weich und farbkräftig, daß seine weitere Behandlung sich erübrigt. Man braucht nur aus einem Block die Stifte herauszuschneiden.
Nachtrag vom 14.3.12: Es gab auch eine Schreibhärte M.
Nachtrag vom 25.8.12: Der Конструктор (Konstrukteur) in den Härtegraden 2M (2B) bis 2T (2H):
- In der Literatur heißt es oft, der Österreicher Josef Hardtmuth habe bereits 1790 und damit vor Conté die keramische Mine erdacht. Petroski teilt diese Ansicht nicht, sondern vermutet, dass diese Zahl das Gründungsjahr von Hardtmuths Unternehmen benennt. Er schreibt: „Hardtmuth selbst behauptete, das Verfahren – die sogenannte Wiener Methode – erst im Jahr 1798 erfunden zu haben, also drei Jahre nach Contés Patent. Andere Quellen berichten aber, dass das neue Verfahren in Wien erst viel später zur Anwendung kam, als es nämlich von Contés Schwiegersohn Arnould Humblot dort eingeführt wurde.“↩
Ein sehr informativer Artikel …und die Fotos sind wie immer erstklassig!
Danke für das Kompliment! :-)
Es gibt auch „nationale“ Unterschiede, oder ist das einfach Marketing?
In Italien kriegte ich überall (na jedenfalls in guten Schreibwarenläden) Stifte mit B9, in Deutschland gar nicht…
hier gehts nur bis „Weichegrad“ 8 … war selbst im Staedler-Laden in Nürnberg und suchte für meinen zeichnenden Gatten die weichsten schwärzesten Stifte .. nicht so einfach in Deutschland
ab und an mal importierte Stifte oder gleich Graphit-Stifte ohne Holz drumherum …
Gruss, Connie
Ich kenne nur einen Fall, bei dem ein nationaler Unterschied gepflegt wurde, und zwar beim Lumograph EE von STAEDTLER Malaysia – dieser hatte meines Wissen die auch im Lumograph 8B genutzte Mine, trug aber noch die hier in den 90ern abgeschaffte Kennzeichnung, da diese etabliert war (mehr dazu gibt es hier).
Ansonsten halte ich vieles für reines Marketing. Die drei Varianten der HB-Feinminen von Pentel und Tombow mögen sich in der Rezeptur unterscheiden, doch sind diese Unterschiede für den Verbraucher tatsächlich spürbar? Und dass Bruynzeel „1H“ und „1B“ schreibt, hat sicher nur gestalterische Gründe, denn so reiht sich die Beschriftung harmonisch ein.
Ein anderer Sonderfall ist der 10B von Mitsubishi, denn wer diesen z. B. mit dem Lumograph 7B vergleicht, wird überrascht sein: Während der 10B sehr weich ist, graphit-typisch leicht gleitet und auch den grauen Glanz hat, liefert der Lumograph 7B ein tiefes Schwarz und haftet ganz leicht am Papier. Der Grund dafür liegt in der Minenmischung, denn der 7B ist nicht einfach die Fortsetzung der Reihe, sondern enthält (ebenso wie der 8B) Ruß, der für die Schwärzung und damit auch die schlechtere Radierbarkeit verantwortlich ist. – Übrigens gibt es den exzellenten Hi-uni auch in 10B; vielleicht wäre dieser der richtige für Deinen künstlerisch tätigen Gatten.
LYRA hat im Sortiment „Industrielles Markieren und Signieren“ auch papierte Graphitkreide der Grade 2B, 6B und 9B, doch diese sind wachsig und haben wohl eine ganz andere Rezeptur als die Bleistiftminen.
Ein hier gekaufter 7B kann also durchaus schwärzer und weicher sein als ein 9B aus dem Ausland; dies macht die Suche leider recht verwirrend.
Kleines Kuriosum am Rande: Vom STABILO tone, Vorläufer des woody 3 in 1, gab es – soweit ich informiert bin – auch eine Graphit-Variante mit dem Härtegrad 20B.
Pingback: LAMB & BYTE - about words, books and sites
„Am Anfang war der Graphite…“ sehr biblisch! LOL
Und Sehr informativ, danke für diese wohl temperierte Bespreche.
(Unglaublich, dass man nicht ein Standard Bezeichnung können haben.)
Btw: der „Ur- Bleistift“ ist noch immer erhältlich. – von Cleo – Skribent. Heißt „Der Gessner“, weil der Forscher Konrad Gessner erstmal diesen Holzstift in einem seiner Bücher von 1565 illustrierte.
Link: http://www.cleo-skribent.com/index.php?id=14
„Der Gessner“ ist auch von „Daves mechanical pencils“ besprechen.
Link: http://davesmechanicalpencils.blogspot.com/2007/02/cleo-skribent-der-gessner-pencil-review.html
MvG
Henrik
Henrik, danke für Deine netten Worte!
Die Bezeichnungen sind ja inzwischen standardisiert, nicht jedoch das Bezeichnete – und das, obwohl es für die Bestimmung der Härte etlicher Materialien Normen gibt.
Beim Gessner scheiden sich die Geister, denn die einzige Abbildung ist nicht allzu exakt, und eine detallierte Beschreibung fehlt leider ebenfalls (aber das trifft strenggenommen für vieles aus der Vergangenheit des Bleistifts zu). So wäre es wohl auch denkbar, dass der Gessner-Stift keine lange Mine, sondern nur einen kleinen Klumpen in der Spitze gehalten hat.
Man kann auf spannende Dinge stoßen, wenn man sich mit der Geschichte des Bleistifts beschäftigt!
Und auch diese Gleichung geht auf:
(Nein, die Spuren stammen nicht von meinen Zähnen.)
Pingback: Palomino Blackwing » Bleistift
Interessante Details zu Härtegraden von Schreibzeug finden sich in dem sehr lesenswerten Titel „Buchstabengeschichte(n)“ von Max Bollwage. Für die Wachstafel, dem Notizbuch der Antike, gab es das Wachs je nach Schreibzweck in verschiedenen Härtegraden. So nahm man z. B. hartes Wachs, wenn die Schrift länger halten sollte, hatte dann aber schwerer zu schreiben; dem Bienenwachs, das zu weich war, setzte man Ton (!) zu. Der zum Schreiben auf den Wachstafeln genutzte Stilus war aus Metall, und so änderte man eben die Härte des Beschreibmaterials.