Man sagt, ein Alligator könne bis zu 70 Jahre alt werden, doch der heute vorzustellende ist sogar mit 118 noch fit und nicht nur deshalb ein besonderer.
In die Welt kam er 1894 mit der Eintragung der Marke »THE “ALLIGATOR” Made in Nürnberg (Germany)«1 durch die Bleistiftfabrik Johann Faber in Nürnberg2. Einen sehr frühen Auftritt des Alligators dokumentiert der Katalog des Jahres 1898 von Richard Best, New York: Der dreiflächige Bleistift No. 125 “Alligator” war mit einem Radierer bestückt und in drei Härtegraden erhältlich.
Einige Jahrzehnte neuer sind der runde Alligator № 2 und diese sechsflächige Variante in BBBB mit Radierer.
Das Auffälligste an diesem Stift ist – abgesehen von dem kleinen Tier – der Härtegrad, dessen Schreibweise hierzulande wohl um 1900 üblich war und später durch 4B abgelöst wurde. Beim Schreiben überrascht jedoch, dass die Mine deutlich härter ist und eher B oder 2B entspricht.
Die Material- und Verarbeitungsqualität schwankt bei meinen Exemplaren stark. Im besten Fall ist die Lackierung weitgehend glatt und gleichmäßig, der Prägedruck sauber und die Mine homogen; auch wurde die Zwinge sorgfältig angebracht. Manche Stifte haben allerdings deutliche Mängel im Lack und in der Prägung, die Zwinge am falschen Ende und eine Mine, die manchmal leicht kratzt.
Das Zedernholz lässt sich im Hand- und im Kurbelspitzer gut spitzen und die Mine recht gut radieren, doch durch die Streuung der Qualität und den über die Jahre hart gewordenen Radierer eignet sich dieser Bleistift nur noch bedingt für den täglichen Gebrauch. – Interessant ist ein Kommentar meines kundigen Lesers Herbert R. zum Alligator:
Erstaunlicherweise finde ich den Alligator in keinem J. Faber Katalog zwischen 1910 und 1929. Nur auf einem Radiergummi von 1910. Dafür taucht der Stift bei A.W. Faber in Auslandskatalogen ab 1951 auf. Als Bleistift HB oder 2 poliert in „dark, red, black or natural”, als Bleistift BBBB mit Gummikapsel, als Kopierstift mit gelber Politur in 2 Härten und als Farb-Kopierstift mit gelber Politur und violetter Mine. Immer mit dem aufgeprägten Alligator.
Kurz nach dem Fund eines alten Alligator erhielt ich den Hinweis auf einen weiteren und konnte mir den Kauf nicht verkneifen.
Auch diese aktuelle Ausführung hat einen sehr dunklen, rotbraunen Lack, einen hellen Radierer in champagnerfarbener Zwinge und die Härtegrad-Kennzeichnung BBBB; ein Teil des Prägedrucks ist in Arabisch.
Von Faber-Castell konnte ich erfahren, dass die Marke „Alligator“ 19433 auf A.W. Faber-Castell umgeschrieben und in den 1950er Jahren auf Löschpapierkarten und farbenfrohen Blechetuis beworben wurde. Dieser Bleistift mit den arabischen Schriftzeichen, so Faber-Castell weiter, ist die aktuelle Version des Alligator-Stifts und seit gut zehn Jahren im Markt. Er wird in Stein produziert und seit über 50 Jahren ausschließlich in Saudi-Arabien vermarktet; zurzeit werden jährlich etwa 20 Millionen Alligator-Bleistifte gefertigt. – Der arabische Text kam vor ungefähr zehn Jahren aufgrund der zahlreichen Plagiate hinzu und besagt in etwa „Alligatorstift hergestellt in Deutschland“ (entsprechende Hinweise finden sich zudem auf der Verpackung).
Der Lack ist im Vergleich zum älteren Alligator rauher und dünner, und statt des Zedernholzes wird Jelutong4 verwendet. Die Mine schwärzt zwar etwas weniger stark, schreibt sich aber wesentlich glatter und lässt sich besser radieren. Der festsitzende Radierer erfüllt seine Aufgabe sehr gut.
Die Mine des neueren Alligator ist ebenfalls spürbar härter als 4B. Faber-Castell klärt auf: Er hatte früher eine 4B-Mine, doch dann wurde die Spezifikation geändert; heute befindet sich eine B-Mine im Stift. Die Bedruckung hat man jedoch beibehalten, um den Verbraucher nicht zu irritieren.
Bemerkenswert finde ich übrigens, wie sich die Darstellung des Alligators über die Zeit gewandelt hat. Wirkte das Tier anfänglich ziemlich aggressiv, so war es später entspannt und macht heute einen fast milden Eindruck.
Danke an Faber-Castell für die Scans und die Informationen!
- Auch wenn die Marke als „ALLIGATOR“, also in Versalien eingetragen ist und auch so verwendet wird, benutze ich hier die Gemischtschreibung.↩
- Er ist jedoch nicht die älteste Bleistiftmarke, die noch im Gebrauch ist, denn „SCHWAN“ wurde meines Wissens bereits 1875 angemeldet.↩
- Georg Büttners Bleistiftseiten zufolge ging Johann Faber, der sein Unternehmen 1876 gegründet hat, im Jahr 1932 eine Zusammenarbeit mit A.W. Faber-Castell ein und wurde zehn Jahre später von diesem übernommen.↩
- Ganz sicher bin ich mir hier nicht; die Poren sprechen für Jelutong, nicht aber die Färbung.↩
Ein sehr schöner Beitrag zur Geschichte dieses Bleistifts. Vielen Dank.
Das war mir eine Freude! Dieser Bleistift hat wirklich einige ungewöhnliche Merkmale. – Interessant zu wissen wäre noch, ob es nach 1945 jemals Produkte der Marke „Alligator“ auf dem deutschen Markt gab (bis jetzt spricht nichts dafür).
Very interesting stuff! Thanks for sharing the photos and your research.
Thank you! To me it was a voyage of discovery, and I wish I had even more details. – By the way, there was even a matching sharpener.
Hallo. Ich habe eine antikes Stiftetui aus Krokodillederimitat. Ein Aufdruck zeigt die gekreuzten Hämmer und den Namen JOHANN FABER. Ich würde grob schätzen um die Jahrhundertwende. Dabei musste ich natürlich an den gleichnamigen Stift denken.
Da ich es hier mit erfahrenen Sammlern zu tun habe, erhoffe ich mir Informationen darüber.
Vielleicht hilft ja dass „Schwarmwissen“. Leider konnte ich hier keine Fotos hochladen.
LG, Christian
Das klingt interessant! Da das hier kein Forum, sondern ein privates Weblog ist, kann man hier auch keine Fotos hochladen, aber ich werfe gerne einen Blick auf das Etui; meine E-Mail-Adresse steht im Impressum.