Ich schaue gerne ganz genau hin und heute auf den Titel des Katalogs von J.S. STAEDTLER aus dem Jahr 1919, der hier schon mehrmals im Mittelpunkt stand. Diesmal geht es jedoch nicht um die Produkte, sondern um die Gestaltung.
Gesetzt wurden diese Seite und große Teile des Katalogs in der Behrens Antiqua, die der Künstler Peter Behrens um 1902 entworfen hat und laut MyFonts bei der Gießerei Rudhard in Offenbach erhältlich war. (Als Anbieter einer digitalen Variante wird Solotype genannt, aber dieser fehlen u. a. die Textziffern und die Ligaturen; zudem ist sie vergleichsweise kantig.)
Die Behrens Antiqua und ihre Verwendung in diesem Katalog gefallen mir außerordentlich gut. Hier zum Beispiel hat man zur besseren Lesbarkeit statt des versalen I ein J genommen.
Einige Versalien haben Unterlängen.
Textziffern tragen zur Attraktivität bei.
Gut möglich, dass die Jugendstil-Ornamente auch von Peter Behrens stammen.
Die Blattmitte ziert eine Abbildung des bis Ende 1988 genutzten Staedtler-Werkes in der Nürnberger Innenstadt. Ein Großteil wurde abgerissen, doch im ehemaligen Verwaltungsgebäude befindet sich heute das Finanzamt.
Ungewöhnlich sind auch die Anführungszeichen und der Bindestrich.
Die Form des G finde ich besonders bemerkenswert.
Schön: Die fi-Ligatur.
Das Genetiv-s war damals noch nicht verpönt. – Die Jahreszahl 1662 hat bereits zu einigen rechtlichen Streitereien geführt, doch an der ersten urkundlichen Erwähnung des Friedrich Staedtler, einem Vorfahren Johann Sebastian Staedtlers, ist nicht zu rütteln. – Hier zu sehen: Eine ch-Ligatur.
Unter dem 1900 angemeldeten Markennamen „Mars“ liefen die Spitzenprodukte des Sortiments.
Das kleine g hat es ebenfalls in sich.
Eine ft-Ligatur gab es offenbar nicht.
Der kleine Mond, diesmal recht detailliert und gar nicht so klein, ist selbstverständlich mit von der Partie.
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Such beautiful lettering and ornaments. Thanks for sharing these, Gunther.
Ich liebe diese alten Fabrikansichten, wo geschickte Perspektiven das jeweilige Werk im Verhältnis zur Umgebung gigantisch erscheinen lassen. Ich habe hier auch noch so eine Bleistiftzeichnung, vielleicht aus den 1910ern, an der Wand, und kann anhand der heute noch vorhandenen Gebäude der alten Leipziger Seegers-Werke gut sehen, wie unglaublich man die Größenverhältnisse von Werksgebäuden im Vergleich zu Nachbargebäuden manipuliert hat.
Bei mir drüben sind Werksansichten (wenn auch nicht in sonderlich guter Qualität von Mosenthin Leipzig und Behrisch Löbau zu sehen.
You’re welcome, Michael! I’m happy to hear that you like it too.
Drainspotter: Ein interessanter Aspekt! Bei einer komplett von Hand gezeichneten Darstellung war es wohl noch einfacher, die Größenverhältnisse zu verändern, und sicher kam noch enthemmend hinzu, dass es zu dieser Zeit noch keine Bilderflut und damit nur wenige Vergleichsmöglichkeiten gab. – Die alten Werksansichten und Katalogseiten sind sehr eindrucksvoll!
Entweder es gab keine ft-Ligatur oder man mochte die Silbengrenze nicht „verschmieren“. Allerdings gibt es meines Wissens nach nur die Regel, nicht über *Wort*fugen zu „ligaturieren“, also z.B. Kauf|laden.
Eine ft-Ligatur gibt es in der Standardbelegung des Setzkastens nicht, sie wird nur ausnahmsweise für wenige Schriften gezeichnet. Im obigen Beispiel hätte man sie ohnehin nicht verwendet, weil die Zeile gesperrt ist, und in gesperrtem Satz wird nicht ligiert.
Noch ein Nachtrag zum Thema Fabrikansichten: Wanderer-Werke Chemnitz, von einer Continental-Schreibmaschine.
Ah, mit der Sperrung das stimmt natürlich.
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Hier sind noch paar Fabrikansichten in diesem Stil: http://www.heimatsammlung.de/topo_unter/90_ab_02/images_01/nuernberg_126.jpg (Siemens&Schuckert Trafo-Werk in Nbg)
http://www.brunnenstrasse.de/_fotos/x13-11.jpg (da ist der Rest gleich fast ganz verschwunden; AEG in Berlin)
Wichtig waren natürlich auch immer die qualmenden Schornsteine… Hier mal extreme Stinkerei http://www.hobbyuo.de/imfotbildgraphpictur/Altes_Borsig_Werk.jpg von Borsig ;-)
Danke für die interessanten Details und die Links zu den Fabrikansichten! Qualm war da offenbar ein Zeichen des Fortschritts wie vorher der Lärm.
Natürlich! Der Schornstein muß rauchen.
Allerdings! Die Konnotation ist mir jedoch weitaus sympathischer als der schwarze Schlot selber.