Granate 1891–1892
Kaum hat man ein Generationentreffen veranstaltet, muss man feststellen, dass jemand gefehlt hat – und zwar offenbar der älteste.
Dachte ich bisher, die Variante der „Granate“, bei der das Messer durch zwei Stifte und eine Rändelschraube gehalten wird, sei die erste gewesen, so hat mich diese Meldung in „The American Stationer“, Vol. 30, Nr. 24 vom 10. Dezember 1891 in der Rubrik „Trade Novelties“ eines Besseren belehrt.
Henry Bainbridge & Co. haben also im Jahr 1891 den Spitzer „Grenade“ in den USA eingeführt. Er ist etwas länger als das aktuelle Modell, hat mit diesem aber das typische Design – zylindrisch, vier Rändelungen und verjüngtes Ende – gemein und kann daher wohl als die älteste Variante bezeichnet werden. Doch woher kam die „Grenade“? Einen Hinweis könnte diese Anzeige von Winkley Dresser & Co. in „The American Stationer“, Vol. 32, Nr. 8 vom 25. August 1892 liefern.
Dass man auf die Kennzeichnung „GERMANY“ achten soll, spricht natürlich dafür, dass der hier als „Cartridge“ bezeichnete Spitzer aus Deutschland kam. – Schön finde ich „simply perfect“, denn das gilt heute noch, ebenso die Erwähnung, dass der Spitzer einzeln in einer Box aus poliertem Kirschholz verpackt wurde. Sehr schick!
Jetzt kann man den sehr ähnlich aussehenden „Peerless“ von Greenough, Adams & Cushing zuverlässig einordnen, der im März 1892 mit „which has heretofore been imported“ beschrieben und eine Woche später beworben wurde: Es war eine Kopie, mit der man gegen die Importware aus Europa antrat (im Jahr darauf warb man mit „equal to the finest imported“). Und man schaut anders auf den Brinco „Sharpe-Point“ aus England, der – wenn auch vermutlich neuer – durch die beiden Schrauben sehr nahe an der „Ur-Granate“ ist.
Doch wann geschah der Umstieg von zwei Schrauben auf eine Rändelschraube und zwei Stifte? Wenn man dieser Nachricht in „The American Stationer“, Vol. 32, Nr. 20 vom 17. November 1892 Glauben schenken kann, wurde der als „Cartridge“ bekannte Spitzer von der Boyd & Abbot Company verbessert und dabei mit einer „thumbscrew“ versehen.
Nun muss diese „thumbscrew“ nicht unbedingt mit der späteren Rändelschraube identisch gewesen sein, doch da man hier von einer Schraube sprach, kann man davon ausgehen, dass man sich von der alten Befestigung verabschiedet hat. – Bemerkenswert finde ich den Hinweis auf den Import von Ersatzmessern.
Die Geschichte des Spitzerklassikers lässt sich somit bis ins Jahr 1891, also 132 Jahre zurückverfolgen.
Doch wie so oft kommen die Antworten in Begleitung neuer Fragen. Das Handbuch für Papier und Bürobedarf gab 1949 an, dass die „Granate“ vor etwa 60 Jahren, d. h. um 1889 in den Handel gekommen sein soll. Wenn das stimmt, was geschah 1889 bis 1891? Kam die Idee, das Messer mit nur einer Schraube zu befestigen, aus den USA nach Europa oder hatte man hier den gleichen Gedanken? Wie passt das US-Patent 492669 von J.R. Foster aus dem Jahr 1893 hinein?
Und die zentrale Frage bleibt: Wer hat die „Granate“ gestaltet und zum ersten Mal hergestellt?