Schon einmal habe ich vermutet, dass die Erfindung des kegelförmig gebohrten Bleistiftspitzers dem Londoner Ableger der französischen Firma A. Marion & Co. gebührt, konnte aber keine verlässlichen Informationen finden – bis heute, als ich im Polytechnischen Journal gestöbert und einen Beitrag aus dem Schweizerischen Gewerbeblatt des Jahres 1852 gefunden habe: „Vorrichtung zum Spitzen von Bleistiften, von Marion in London“1.
Dieser kleine niedliche Apparat, für England registrirt, ist, wie mehrmonatlicher Gebrauch beweist, sehr gut geeignet, um eine immer gleichmäßige Zuschärfung des Holzes und Graphitstiftes, eine feine runde Spitze des letztern zu erhalten, und sehr angenehm im Gebrauch, weil die Finger von anhängendem Graphitstaub nicht beschmutzt werden.
a ist ein kurzer Elfenbeingriff mit Messingzwinge und an der Spitze mit Schraube zum Einsetzen und Abnehmen von b;
b ein massives Stück Messing, am vordern Theil höher und breiter als hinten. Darin ist c eine conisch zulaufende Höhlung angebracht. Diese hat einen Schlitz gegen die Seite d ihrer ganzen Länge nach;
d, d ein Stahlplättchen mit einer Schneide, die in dem hohlen Conus c liegt und wie ein Hobeleisen dienen muß. Dieses linealartige Stahlstück wird auf dem Messingstück b und zwar auf der rechten schrägen Seite f desselben mit der Schraube e, welche durch einen Schlitz in d geht, festgehalten, so daß aber der Schlitz verschiedene Stellungen von d, ein tieferes oder weniger tiefes Eingreifen in den Conus c möglich macht.
g, g sind zwei kleine Schräubchen, durch zwei Ansätze von b hindurchgehend, und dazu bestimmt, das Lineal d mehr am weitern oder am engern Theil des Kegels c einzuschieben, um es mehr auf den Stift oder das Holz wirken zu lassen.
h eine gegenüberliegende Schraube, welche das in b an einem durchbohrten Ansatz eingeschobene Stäbchen i festzuhalten bestimmt ist. An i sind die Flügel k, k, die verschiedene Stellungen zulassen, und dazu dienen, die Achse des Bleistiftes centrisch gegen den Conus zu stellen. Beim Gebrauch wird, wie es sich von selbst versteht, der Bleistift durch k in c eingeschoben, in der Richtung des Pfeiles mit der einen Hand gedreht, während die andere das Stäbchen a faßt.2
Damit dürfte belegt sein, dass die Urform des heutigen Handspitzers mit konischer Stiftaufnahme und einem Messer, das in den Konus reicht, vor 165 Jahren in die Welt kam.
Und wie steht es dann um die oft anzutreffende Behauptung, Theodor Paul Möbius habe 1908 den kegelförmig gebohrten Bleistiftspitzer erfunden? Was zunächst wie ein Widerspruch zu Obigem klingt, muss keiner sein, denn in der Beschreibung der Erfindung von A. Marion & Co. ist zwar von einem Konus, nicht aber von Bohren die Rede3. Es kann auch möglich sein, dass sich Möbius‘ Erfindung auf die industrielle Fertigung der Spitzer bezog (Marions Apparat wurde wohl nicht in Serie hergestellt). Doch das sind nur Vermutungen, und so sind weitere Recherchen sicher spannend.
Nachtrag vom 2.6.23: Die oben genannten Links haben beim letzten Versuch, sie aufzurufen, nicht funktioniert. Der zuerst im Schweizerischen Gewerbeblatt, 1852, Nr. 7 veröffentlichte Artikel ist zu finden unter Polytechnisches Journal → Dingler Online/Zur Bandübersicht → Dr. Johann Gottfried Dingler, Dr. Emil Maximilian Dingler: Polytechnisches Journal. Bd. 124. Stuttgart, Tübingen, 1852 → Digitale Sammlungen (SLUB) (vollständiger Band; der Artikel ist auf Seite 349 und die Tafel auf Seite 497) und Tab. VI (Abbildung). Den transkribierten Artikeltext mit Abbildung gibt es unter „Vorrichtung zum Spitzen von Bleistiften, von Marion in London“.
- Der Hersteller nannte ihn „Pencil Cutter and Sharpener“.↩
- Textquelle: Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin (CC-BY-NC-SA 3.0), Bildquelle: SLUB Dresden (CC-BY-NC-ND 3.0).↩
- Um verlässliche Angaben dazu machen zu können, müsste man jedoch in die Patentschrift schauen.↩
Eine tolle Entdeckung.
Interessant, dass das Messer damals frei einstellbar war. Das hat das Spitzen bestimmt schwieriger gemacht.
Auch ich habe mich über diesen Fund gefreut! Die freie Einstellbarkeit des Messers könnte aus einer Not heraus entstanden sein, wusste man damals vielleicht noch nicht, welche Messerposition die ideale und für alle Bleistifte geeignete ist. Du hast sicher recht – das Spitzen war bestimmt schwieriger und in manchen Fällen wohl auch eine elende Fummelei.