2014
Die Waage
Eines der bekanntesten Warenzeichen aus der Welt der Bleistifte ist die Waage, die viele Jahrzehnte die Produkte von A.W. Faber zierte und auch auf dem Bleistift Castell 9000 anzutreffen war. Doch welche Geschichte hat sie?
Die Waage war ursprünglich das Markenzeichen der Bleistiftfabrik J.W. Guttknecht in Stein bei Nürnberg, die 1907 von A.W. Faber übernommen wurde1.
J.W. Guttknecht
Firmengründer war Johann Andreas Guttknecht aus Frankfurt, der sich in Stein als Schreinermeister niederließ und 1769 erstmals als Bleistiftmacher urkundlich erwähnt wurde. Im Jahr 1828 übernahm sein Sohn Johann Wilhelm Guttknecht die Firma und gab ihr seinen Namen. Er blieb Junggeselle und verkaufte er das Unternehmen 1865 an die Kaufleute Elßmann und Haase, doch diese hatten nicht viel Glück – 1893 war die Firma völlig verschuldet, und Haas beging im selben Jahr Selbstmord. Eigentümer waren anschließend die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank und danach die Kaufleute Jakob, Eckert und Betz; letzterer wurde 1899 Alleinbesitzer und verkaufte das Unternehmen 1907 an Alexander Graf von Faber-Castell und dessen Frau Ottilie2.
Unklar bleibt für mich, woher die Jahreszahl 1750 stammt. – Wie die Unterlagen im Deutschen Patent- und Markenamt in München belegen, wurde die Waage im Mai 1875 als Warenzeichen für zahlreiche Produkte4 von J.W. Guttknecht eingetragen.
Doch warum eine Waage? Welchen Bezug zum Handwerk des Bleistiftmachers hat sie? Ich weiß es nicht, habe aber eine Vermutung. Wie Dr. Gustav Schwanhäußer in seiner 1895 als Buch veröffentlichten Dissertation „Die Nürnberger Bleistiftindustrie und ihre Arbeiter in Vergangenheit und Gegenwart“ schreibt, stand bis 1708 noch nicht fest, mit welchen Warenzeichen6 die Bleistiftmacher ihre Fabrikate versahen und versehen mussten. Abhilfe schaffte das Rugsamt, die damalige Handwerksaufsichtsbehörde, mit der Festlegung von zwölf Zeichen im selben Jahr.
Die beiden letzten Zeichen standen noch bis 1730 zur Verfügung der Schreiner, gingen aber im darauffolgenden Jahr in den Besitz der Bleistiftmacher über. Ich halte es für denkbar, dass die damaligen Bleistiftmacher beliebige Zeichen ohne oder mit nur wenig Bezug zum Gewerbe genutzt haben und diese Praxis bis in das 19. Jahrhundert weiter bestand. – Den heute üblichen Markenschutz gab es damals noch nicht. Als die Produkte von A.W. Faber aufgrund ihres großen Erfolges imitiert wurden, reichte Lothar von Faber Anfang der 1870er Jahre eine Petition zum Schutz des Markenartikels beim Deutschen Reichstag ein. Diese führte dazu, dass 1875 ein Gesetz zum Markenschutz in Kraft trat7; aus diesem entstand unserer heutiger Markenschutz.
Wie die Registerauskunft des DPMA informiert, ließ sich A.W. Faber die Waage im April 1914 als Bildmarke eintragen.
Wann genau und auf welchem Produkt A.W. Faber sie zum ersten Mal genutzt hat, konnte ich allerdings noch nicht herausfinden.
Ich finde es bemerkenswert, wie viele Varianten der Waage es über die Jahrzehnte gab. Waren die Änderungen beabsichtigt? Wenn ja, lassen sich mit ihrer Hilfe Produkte datieren? Oder ging man damals einfach lockerer damit um und achtete nicht immer auf eine einheitliche Gestaltung?
Sicher machte auch die verwendete Drucktechnik Abwandlungen nötig, denn es lassen sich z. B. auf Briefpapier feine Details besser wiedergeben als im Prägedruck. – Hier noch ein paar Varianten der Waage aus meinem Fundus.
Die Gestaltung der Schalen und den abgesetzten Punkt auf dem Karton des blauen Farbstifts 2671 finde ich sehr ungewöhnlich.
Wie der folgende Ausschnitt zeigt, waren zuweilen verschiedene Varianten nebeneinander zu sehen.
Weitere bekannte Marken von A.W. Faber-Castell waren die Wortmarke „Castell“ (1906, der spätere Namensteil), die Kombination mit stilisierter Burg (1906) und das querliegende Oval mit dem Wappen (1950). Die beiden mit Bleistiften kämpfenden Ritter wurden 1906 als Schutzmarke eingeführt9.
Bei der Neuausrichtung des Unternehmens im Jahr 1993 trennte sich Faber-Castell von der Waage, die 118 Jahre lang nicht nur auf Bleistiften zu sehen war. Sie ist jedoch immer noch auf die Faber-Castell AG eingetragen.
Danke an Faber-Castell für den Scan des Guttknecht-Katalogtitels und das DPMA für den Scan des Warenzeicheneintrags aus dem Jahr 1875!
Nachtrag vom 2.7.15:
Die freischwebenden Waagschalen haben etwas, finde ich.
- Bis in die 1940er Jahre vertrieb A.W. Faber-Castell die billigen Bleistiftsorten unter dem Namen J.W. Guttknecht.↩
- Quelle: Gerhard Hirschmann, Stein bei Nürnberg – Geschichte eines Industrieortes. Frankenverlag Lorenz Spindler, Nürnberg 1962.↩
- Jahresangabe von Faber-Castell.↩↩↩↩
- Die Bedeutung des Begriffs „Farbkrene“ in diesem Eintrag kenne ich nicht.↩
- Herausgegeben im Auftrag des Reichsamts des Innern. Aufgeführt werden Warenzeichen bis Ende 1886. – Ja, „Waarenzeichen“.↩
- Im historischen Kontext auch „Schauzeichen“ genannt.↩
- Man beachte den Begriff „Schutz-Marke“ unter der im selben Jahr eingetragenen Waage von Guttknecht.↩
- Das Alter kenne ich nicht.↩↩↩
- Quelle: „Faber-Castell since 1761“.↩
Fabermännchen
Gefunden bei der Suche nach etwas ganz anderem: Die Wort-/Bildmarke „Fabermännchen“ von A.W. Faber-Castell, 1952 eingetragen und 2002 gelöscht.
Den gleichnamigen Bleistift kenne ich, doch das lustige Kerlchen ist mir in der freien Wildbahn leider nie begegnet.
Auf die Schnelle
Da ich heute eigentlich keine Zeit fürs Weblog habe, gibt es nur etwas Schnelles, und zwar einen Ausschnitt vom Titel der Gebrauchsanweisung zu den Thermochrom-Messfarbstiften von Faber-Castell (ca. 1964).
Black Star
Etwas ungewöhnlich finde ich es schon, dass Bohemia Works1 auch diese Farbstifte „Black Star“ genannt hat, doch das tut der für mich großartigen Gestaltung keinen Abbruch.
Das war’s auch schon für heute.
- Laut Brand Name Pencils war Bohemia Works eine in den 1950er oder 1960er Jahren gegründete Exportfirma von L. & C. Hardtmuth aus der damaligen Tschechoslowakei.↩
Wundersame Welt der Waren (31)
Der Gebrauch des Hinweises „Serviervorschlag“ treibt seltsame Blüten. Sogar die einer Sonnenblume.
Wer nun denkt, das einem aus dem Becher der Sonnenblumen-Margarine („mit 5% anderen pflanzlichen Fetten”) der REWE-Hausmarke „ja!“ eine Sonnenblume entgegensprießt, liegt falsch, denn aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass der Serviervorschlag den Inhalt stets so zeigt, wie er nicht ist. Die Frage, wie man die Sonnenblume aufs Brot streichen soll, stellt sich daher auch nicht.
Wenn ich einen Lieblings-Serviervorschlag nennen müsste, dann wäre es dieser.
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Giraffe
Da einigen Lesern der letzte Beitrag zu lang war, gibt es heute einen kurzen.
Die inkorrekten Proportionen bitte ich zu entschuldigen. (Träfe man diese Kombination in der Natur an, wäre der Bleistift etwa 5,70 m lang und 25 cm dick, womit es der Giraffe recht schwer fallen dürfte, ihn zu benutzen.)
Vielen Dank an Baktasch für den giraffe-steno!
Nach Art des Hauses
Vor wenigen Tagen habe ich das vierte Set aus der Reihe „Les Crayons de la Maison Caran d’Ache“ vorgestellt. Dabei sind mir ein paar Dinge aufgefallen:
- Das Sternchen in „Aussergewöhnliche Holzarten* für eine exklusive Kollektion“ im Faltblatt verweist auf Pressholz.
- Die Bleistifte haben kein für mich wahrnehmbares Aroma.
- Das Gewicht der Bleistifte schwankt nicht in dem Maß, wie es die Dichten der aufgeführten Hölzer erwarten lassen.
- Selbst mit der Lupe kann ich bei keinem der Bleistifte die für einen aus Brettchen hergestellten Bleistift typischen Trennlinien erkennen.
- Die Beziehung zwischen den im Faltblatt genannten Edelhölzern und den Bleistiften ist mir unklar.
Während ich geduldig und zuversichtlich auf eine Nachricht von Caran d’Ache warte – ich hatte um einen Kommentar zu meinen Beobachtungen gebeten –, habe ich mich weiter mit den Stiften befasst. Heute früh war ich in meinem Labor, in dem ich zuweilen auch kleine Mahlzeiten zubereite, um das Exemplar „Silberpappel“ aus dem zweiten Set einer eingehenden hydrothermischen Behandlung zu unterziehen1.
Nach gut zehn Minuten auf großer Flamme habe ich den Bleistift herausgenommen und im noch warmen bis heißen Zustand leicht gekrümmt. Dabei entstand an der Spitze ein Spalt, von dem aus ich den Stift in zwei Hälften zerlegen konnte. Ich fand es bemerkenswert, wie stark sich diese Hälften biegen ließen, ohne dass sie brachen.
Ich konnte feststellen, dass das Schaftmaterial schichtförmig aufgebaut ist. Beim Trennen der Schichten, deren Flächen silbrig glänzten, fielen mir zudem Fäden ähnlich denen eines Klebstoffs auf.
Beim Zerkleinern der einen Hälfte kochte die andere weiter vor sich hin. Als ich letztere aus dem Wasser nahm, war sie al dente und sehr biegsam, und die etwa 0,6 bis 0,9 mm dicken Schichten ließen sich nun noch leichter voneinander trennen. Nach dem Erkalten war das Material wieder steifer. – Doch was soll diese Albernheit?
Caran d’Ache spricht in den Faltblättern der „Les Crayons de la Maison“-Sets von „aussergewöhnliche[n] Holzarten“ und nennt jeweils vier. Daraus haben ein paar Bekannte und ich geschlossen, die Bleistifte wären aus den genannten Hölzern gefertigt worden, und auch so mancher Händler scheint sich dessen sicher zu sein:
- „Die Bleistifte sind aus folgenden Hölzern hergestellt worden: Azobe aus Afrika […]“ (Bürowelt Schiff)
- „Bleistifte aus 4 aussergewöhnlichen Holzarten: Graupappel […]“ (Zumstein)
- „Nur ausgewählte Holzarten mit FSC- und OLB-Zertifikat kommen hier zum Einsatz: Graupappel […]“ (Bethge Hamburg)
- „Set aus 4 Bleistiften aus verschiedenen feinen Edel-Hölzern: Afrikanisches Ayous […]“ (Trixie Gronau)
- „Gefertigt werden die vier Bleistifte aus Amerikanischer Walnuss, […]“ (Bethge Hamburg)
- „Les Crayons de la Maison Caran d’Ache is an exotic pencil set featuring four individual pencils crafted out of four rare species of wood […] The woods used in this set are Macassar Ebony […]“ (pencils.com)
- „This fourth edition contains pencils made from the following rare and precious woods: Indian Poplar […]“ (pencils.com)
- „This, the third set in the range, is a set of 4 pencils and includes one each of the following woods: Grey Poplar […]“ (CultPens)
Inzwischen zweifle ich jedoch daran, vor allem aufgrund des Hinweises auf Pressholz in den Faltblättern des zweiten und vierten Sets. Doch welches Material ist es dann? Im Faltblatt des ersten Sets – und nur dort – steht:
Die Bleistifte von Caran d’Ache verdanken ihre Besonderheit einer passionierten Suche nach feinen Edelhölzern und sind das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Genfer Manufaktur und dem italienischen Spezialisten für Holzbearbeitung.
(Darüber, dass dieser Satz später nicht mehr auftaucht, will ich nicht spekulieren.) Ich bin schon damals in den Artikelbeschreibungen einiger Anbieter auf den Namen ALPI gestoßen2, habe dieses Detail aber erst jetzt verfolgt. Ist ALPI dieser Spezialist? Zum ALPI-Produkt ALPIlignum heißt es:
ALPIlignum is ALPI’s reconstituted wood […] A family of products made from composite wood. ALPIlignum can reproduce naturally-occurring species and maintain their patterning through changes in colour and the creation of imaginative designs. ALPIlignum may be applied to any surface and can be manufactured to different thicknesses depending upon intended use.
Die Design-Vielfalt ist beeindruckend: Wer auf die „Wood Collection“ und dort über „Did not find your wood?“ zur „Design Collection“ geht, findet bemerkenswerte Muster. Auch die Beschreibung von ALPIkord klingt interessant:
ALPIkord is a line of new generation pre-finished woods, created to enhance and bring out the natural character of wood by offering natural textures and aesthetic impact to a previously unprecedented degree.
Die ALPIkord-Broschüre führt übrigens drei der vier Holzbezeichnungen des ersten Sets auf. – Ebenfalls aufschlussreich sind die Details zum Produktionsprozess bei ALPI.
Die Angaben von ALPI und die Schichten des gekochten Stifts könnten dem Satz „Aussergewöhnliche Holzarten* für eine exklusive Kollektion“ und erst recht dem englischen „An exclusive collection made with essences* of noble woods“ eine ganz andere Bedeutung geben. Hätte ich mich auch hier an die Regel gehalten, dass man auch auf das achten soll, was nicht gesagt wird, wären mir die Ungereimtheiten schon früher aufgefallen.
Wenn Caran d’Ache tatsächlich ALPIlignum verwendet hat, so haben die Stifte der „Les Crayons de la Maison“-Sets einen Schaft aus gefärbten und verleimten Schichten von Pappel oder Ayous3, und das würde meiner Ansicht nach weder zur Aufmachung noch zum Preis des Produkts passen.
- Le Bouillon de la Maison Lexikaliker.↩
- Siehe z. B. Skripta Paris, Kadmium und Embelezzia.↩
- Auch als Abachi bekannt.↩