Hingeschaut

Die Pla­kate der aktu­el­len Wer­be­kam­pa­gne des Ver­lags Bastei-​Lübbe zei­gen einen Blei­stift und einen Radie­rer – Grund für mich, genauer hin­zu­schauen, auch wenn ich mich nicht zur Ziel­gruppe zähle.

Hingeschaut

Nicht im Bild: Das bewor­bene Buch (links) und die Slo­gans „60 Jahre erste Sätze“ sowie „60 Jahre große Geschich­ten“ (unten)

Sieht das Gezeigte zunächst aus wie die Arbeit an einem Manu­skript, so spricht die Makel­losigkeit eine andere Spra­che. Der offen­bar mit dem Mes­ser gespitzte Blei­stift1 trägt kaum Gebrauchs­spu­ren und der Radie­rer gar keine; zudem schei­nen beide zu schwe­ben. Beim Text, wohl aus dem bewor­be­nen Roman „Der stille Samm­ler“, fal­len gleich meh­rere Dinge auf: Er wirkt auf den ers­ten Blick wie hand­ge­schrie­ben, ist es aber nicht, was man an der feh­len­den Vari­anz der Buch­sta­ben erken­nen kann. Kor­rek­tu­ren und andere Merk­male eines Ent­wurfs feh­len; selt­sam auch der Umstand, dass die Schrift nicht nach Blei­stift, son­dern eher nach Faser­schrei­ber aus­sieht (immer­hin hat man ihr ein paar Unre­gel­mä­ßig­kei­ten ge­geben und diese im Gegen­satz zu denen auf dem Blei­stift etwas gestreut, aber sie pas­sen nicht so recht zu der Struk­tur des mit dem Hin­ter­grund iden­ti­schen Beschreib­ma­te­ri­als). Das inzwi­schen abge­nutzte „Route 66“-Emblem ver­kommt hier – ebenso wie Blei­stift und Radie­rer – zur Staffage.

Für mich ist diese Wer­bung gedan­ken­los zusam­men­ge­stop­pelt und ohne Authen­ti­zi­tät – genau so, wie ein Roman eigent­lich nicht sein sollte.

  1. Einige Vari­an­ten des Pla­kats zei­gen ihn mit werk­sei­ti­ger Spitze.

8 Kommentare zu „Hingeschaut“

  1. das mit dem „das ist keine hand-, son­dern eine computer-​schrift“ hab ich auch gleich gedacht. sie hät­ten sich ja wenigs­tens die mühe machen kön­nen, einen mehr blei­stift­ar­ti­gen font zu suchen …

  2. Schade. Da ging so man­ches in die Hose.
    Was soll/​will mir das Plakat/​der Pos­ter sagen?
    Was soll mir die Head­line (dass es ein Zitat aus einem Roman ist, wis­sen nur jene, die den Roman gele­sen haben – eine Quel­len­an­gabe wäre nett gewesen)sagen?
    Wenn’s ein Pla­kat ist, dann ist es eine ver­ge­bene Chance zu zei­gen, wie schön ein Blei­stift­strich auf cha­rak­ter­vol­lem Papier aus­schauen kann – in der not­we­ni­gen Ver­grö­ße­rung am Pla­kat könnt‘ ich mich nicht dran satt sehen.
    Dass dann auch noch Schreib­werk­zeug und Radie­rer so lieb­los drauf mon­tiert wur­den, ist eh nur noch stimmig.
    Schade ums Geld. Sehr schade.
    Zusatz­frage: Gibt es eine Anzeigen/​Plakatserie?

  3. Autsch: Bei mei­ner Kon­zen­tra­tion auf Stift und Schrift habe ich ver­säumt zu sagen, dass Foto nicht das ganze Pla­kat zeigt (wenn auch den größ­ten Teil); links – noch erkenn­bar am Schat­ten – ist das bewor­bene Buch. Ich habe den Bei­trag kor­ri­giert und werde ver­su­chen, ein Foto des kom­plet­ten Pla­kats nachzureichen.

    Die Aus­sage des Pla­kats ist natür­lich die, dass man das Buch kau­fen soll, aber warum, kann ich dem Gezeig­ten nicht ent­neh­men. Das Pla­kat gibt es in min­des­tens zwei Grö­ßen; das klei­nere (mit dem werk­sei­tig gespitz­ten Stift) habe ich auf dem Leip­zi­ger Haupt­bahn­hof in einem die­ser be­leuchteten Käs­ten gese­hen, in denen sich die Pla­kate abwech­seln. – Ja, ein ver­grö­ßer­ter Bleistift­strich, viel­leicht noch ergänzt durch Radier­krü­mel, Spit­zer­späne und ein zer­knüll­tes Blatt Papier, hätte ich sehr attrak­tiv gefun­den, nicht zuletzt des­halb, weil es eine wohl­tu­ende Alter­na­tive zur immer glei­chen Ste­ri­li­tät gewe­sen wäre.

  4. Pfffft – wo Ihr wie­der alle hin­kuckt. Und was Ihr da alles seht!

    Ich hin­ge­gen kann bei die­ser Klaue nicht mal den Namen des Prot­ago­nis­ten oder der … der … was soll das hei­ßen?!? … ähm, ja: Erken­nen. Kann ich nicht. 

    Aber dass die­ser Text auf kei­nen Fall mit dem abge­bil­de­ten mikro­me­ter­scharf gespitz­ten Blei­stift, son­dern wohl mit irgend­ei­nem Fil­zer … also, auch noch mit einem irgend­wie Filzer-​Imitationsfont … geschrie­ben ist, springt einem sofort ins Auge. 

    Das ist an Zusam­men­hang­lo­sig­keit schwer zu über­bie­ten. Huuuaaaah!

  5. Na ja, wenn mir ein Blei­stift – noch dazu ein so gro­ßer – unter­kommt, schaue ich eben ganz genau hin :-)

    Der Prot­ga­no­nist heißt wohl Gerald Peasil und wird gleich zu Beginn genannt. – Ja, die Strich­stärken der Schrift und die der Skizze oben rechts pas­sen nicht zu der fei­nen Spitze des Blei­stifts, doch ent­we­der ist das den Machern nicht auf­ge­fal­len oder es hat sie nicht gestört (was mich bei­des über­ra­schen würde).

  6. Als Gra­fik Desi­gner ver­su­che ich bei sol­chen Auf­ga­ben­stel­lun­gen meine Kun­den immer davon zu über­zeu­gen, dass man so etwas mit der Hand schrei­ben muss und kei­nen fer­ti­gen Font ver­wen­den sollte. Also schreibe ich, scanne das ganze ein und wenn gewollt, kann ich das in Illus­tra­tor vek­to­ri­sie­ren und habe dann ein ska­lier­ba­res Objekt ohne Pixel.
    Der ansons­ten unta­de­lige Schrift­meis­ter Lucas de Groot hat mit sei­nem Font »Lucas Hand & Feet« hier lei­der unschöne Vor­ar­beit geleis­tet. Auch die Type »Texas Hero«, die Mitte der Neun­zi­ger – lei­der gra­tis – erschien, wird immer noch gerne für der­ar­tige Zwe­cke verwendet.
    Natür­lich hät­ten sie das Pos­ter auch in Comic Sans set­zen können …

  7. Das ist die sinn­vollste Vari­ante und bei gekonn­ter Umset­zung auch sicher die attrak­tivste. – Ich hoffe, die meis­ten Kun­den las­sen sich davon überzeugen!

    Ja, die digi­ta­len Hand­schrif­ten sind für viele ver­lo­ckend, wir­ken aber auf mich weder wie das eine (Hand­schrift) noch das andere (eine gut gesetzte Schrift). – Gab es nicht mal einen Font mit ein­gebauter Streu­ung, viel­leicht als Mul­ti­ple Mas­ter? Ich habe so etwas in Erin­ne­rung (Beowulf?).

    Comic Sans wäre natür­lich der Knül­ler gewe­sen. Apro­pos: Kürz­lich hatte ich ein Taschen­buch des Hanser-​Verlags in der Hand, und in die­sem waren die Kapi­tel­über­schrif­ten in Comic Sans gesetzt (nein, ich hatte nicht den Ein­druck, als wäre das ein iro­nisch gemein­tes Stil­mit­tel gewesen).

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