Zurück in eine Zeit, in der sich Kunst und Technik vielleicht etwas näher waren als heute, führt das exzellente Buch „The Art of the Engineer“ von Ken Baynes und Francis Pugh, erschienen 1981 bei Lutterworth Press.
„The Art of the Engineer“ mit älterem STAEDTLER Mars Lumograph und Mitutoyo-Messschieber
Entstanden nach einer vom Arts Council of Wales organisierten Ausstellung in den Jahren 1978 und 1979 präsentiert dieser 240 Seiten umfassende und 23 × 34 cm große Band zahlreiche, Skizzen, Zeichnungen und Studien, aber auch kolorierte Lithografien und vieles mehr aus der Zeit vom Ende des 16. bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Die hervorragende Kombination aus sorgfältig recherchiertem, detailliertem Text und einer Fülle an Bildmaterial zeigt in äußerst beeindruckender Weise die enge Beziehung zwischen der Zeichen- und der Ingenieurskunst, wie sie sich von der ausgehenden Renaissance über die industrielle Revolution bis in die 1950er Jahre hinein entwickelt hat.
Zeichnung aus einer Wartungsanleitung für einen Flugzeugmotor (1929)
Ausführlich kommentierte Zeichnungen von Schiffen, Eisenbahnen, Autos und Flugzeugen aus Europa und den USA, die zu einem großen Teil bisher nur sehr wenigen zugängig waren, veranschaulichen die wachsenden Fähigkeiten der Ingenieure und Zeichner sowie die zunehmenden Anforderungen, die an sie gestellt wurden. Die in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Entwicklung fällt dabei besonders auf: Gab es vorher selbst bei komplexeren Maschinen nur vergleichsweise wenige Zeichnungen, die zudem teilweise erst nach dem Zusammenbau erstellt wurden, so sorgten in der industriellen Revolution die Spezialisierung, die Arbeitsteilung und die sich damit ändernde Kommunikation für eine starke Zunahme sowohl der Anzahl der Zeichnungen als auch der dargestellten Details. Darüber hinaus macht das prächtige Buch die außerordentlich hohe künstlerische Qualität und die eigene Ästhetik dieses nicht nur für die Technik so wichtigen Mediums deutlich.
Kolorierte Lithografie des Dampfschiffs „Great Eastern“ (1860)
Die sehr große Vielfalt des Anschauungsmaterials umfasst auch Fotos von Zeichenbüros, Fabrikhallen und Werften, Portraits von Ingenieuren, Konstrukteuren und Zeichnern sowie Teile aus alten Lehrbüchern und anderen Fachpublikationen. – Das Buch „The Art of the Engineer“ halte ich für uneingeschränkt empfehlenswert und angesichts der überragenden Qualität und Informationsfülle mit 46,25 £ (knapp 50 Euro) obendrein für vergleichsweise günstig.
Danke an Lutterworth Press für die Genehmigung zur Reproduktion der Ausschnitte! – Der Verlag ist übrigens auch auf der Frankfurter Buchmesse 2009 vertreten und dort am Stand K975 in Halle 8.0 zu finden.
Weitere Bücher zum Thema:
- Booker, Peter Jeffrey: A History of Engineering Drawing (Chatto & Windus 1963)
- Diderot, Denis: A Diderot Pictorial Encyclopedia of Trades and Industry Vol. 1 & 2 (Dover Publications 1993)
- Feldhaus, Franz Maria: Geschichte des Technischen Zeichnens (Hg.: Franz Kuhlmann KG, 1. Aufl. 1953. 3. Aufl. 1967)
- Lefèvre, Wolfgang (Hg.): Picturing Machines 1400–1700 (MIT Press 2004)
- Nedoluha, Alois: Kulturgeschichte des technischen Zeichnens (Springer 1960)
- Ramelli, Agostino: Various and Ingenious Machines of Agostino Ramelli (Dover Publications 1994)
- Sellenriek, Jörg: Zirkel und Lineal. Kulturgeschichte des konstruktiven Zeichnens (Callwey 1987)
- Willard, William F.: The Art of Mechanical Drawing. A Practical Course for Drafting and Design (Popular Mechanics 1912, Neuauflage Hearst Books 2009)
Zu Nedoluha, Sellenriek und Willard siehe auch „Kunst und Konstruktion“.
Anm.: Bei dem im ersten Bild dieses Beitrags gezeigten STAEDTLER Mars Lumograph 100 handelt es sich um eine ältere, geringfügig dickere Variante ohne Strichcode und mit Beschriftung in Versalien.