Oktober 2009
Rüssel und Radierer (1)
Ob klein und schwarz oder grau und groß, als schlanker Schattenspender oder kultureller Stützpfeiler – den liebenswürdigen und in zahlreichen Varianten auftretenden Rüsseltieren fühle ich mich nicht nur als langjähriger Bürger Rüsselsheims aufs Engste verbunden, und so ist es mir ein sehr großes Vergnügen, hier und heute gleich drei weiteren gemütlichen, gedächtnisstarken und zudem gegen den Graphit antretenden Dickhäutern sowohl Auslauf als auch die verdiente Aufmerksamkeit verschaffen zu dürfen.
Aus dem Gehege des traditionsreichen und in Tschechien ansässigen Herstellers Koh-I-Noor stammt der erste aus dem Trio. Schlicht mit „300/40“ benannt macht er dem Graphit den Garaus, und was dem mit 8 × 23 × 37 mm recht kleinen Kerl an körperlicher Größe fehlt, gleicht er durch den Einsatz des ihm beigegebenen Schleifmittels mehr als aus.
Groß und weich war der Radiergummi „Elefant“, für den sein Erzeuger Ferd. Marx & Co. in Hannover vor etwa 90 Jahren mit dieser attraktiven Reklamemarke warb. Eine imposante Gestalt, mit der sich wohl selbst ein harter Bleistift nur äußerst ungern angelegt hätte!
Dieser elastische, 35 mm große Akrobat schwingt im Rahmen der Aktion „Fans of Earth“ des Anbieters Brunnen seine Hufe und nimmt mit seiner hohen Gelenkigkeit zweifellos eine Sonderstellung unter den gerüsselten Radierern ein. Woher jedoch sein überraschter Blick herrührt, wollte er mir bisher nicht verraten.
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LYRA 664
Ein in mehrfacher Hinsicht auffälliger und ungewöhnlicher Bleistift ist der 664 STENO von LYRA, der bis Mitte der 90er Jahre im Programm des fränkischen Herstellers war und noch heute manchmal in Restekisten anzutreffen ist.
Der in einem dem Leucht-Orange ähnlichen Farbton lackierte, runde und 17,5 cm lange 664 STENO ist mit 7 mm etwas dünner als ein Standard-Bleistift, hat aber ebenso wie dieser eine 2 mm dicke Mine. Die 2 cm lange Tauchkappe in gebrochenem Weiß deutet darauf hin, dass es sich hier um die erste Variante dieses Bleistifts handelt, denn zwischen 1991 und 1994 fiel sie weg. – Vorläufer des 664 war der bis in die 70er Jahre hinein angebotene LYRATO 665 mit goldfarbener Tauchkappe, den es in den Härtegraden HB, B und 2B gab; parallel zum 664 – zumindest von 1973 bis 1995 – führte LYRA den Orlow STENO 6331 mit goldfarbenem Käppchen und breitem schwarzen Ring in den Härten HB, B und 2B.
Der Folienprägedruck in stark kontrastierendem Metallic-Blau macht mit einer Ausnahme nur die notwendigsten Angaben. Neben dem Herstellungsland, der Nummer, dem Namen des Herstellers und dessen Sinnbild findet sich die Funktion des Stifts in Kurzschrift, d. h. in stenografischer Schreibung.
Die lange Geschichte der Stenografie geht bis ins erste vorchristliche Jahrhundert zurück und brachte 1924 mit der Deutschen Einheitskurzschrift den ersten deutschen Standard hervor; verbunden mit diesem sind Stenografieblock und -bleistift. Zur stenografischen Technik kann ich leider gar nichts sagen, und so beschränke ich mich auf ein paar Beispiele von meinem Vater, der diese faszinierende Kunst auf beneidenswerte Weise beherrscht.
Diesen Schriftzug zeigt auch der Aufdruck des LYRA 664 STENO.
Kleine Notiz am Rande: Warum sind Stenografie-Bleistifte eigentlich rund? Das Profil des hexagonalen Bleistifts wirkt in den haltenden Fingern wie eine Rastung und sorgt damit für bevorzugte Positionen in der Hand. Die in der Stenografie notwendigen Unterschiede in der Strichstärke machen es jedoch erforderlich, dass der Stift geringfügig axial gedreht werden und auch danach noch komfortabel gehalten werden kann. Ein runder Bleistift erfüllt diese Forderung am besten und strapaziert die Hand bei längerem Gebrauch weniger als ein sechsflächiger. Zum leichteren Schreiben der Verstärkungen haben Steno-Bleistifte oft eine etwas weichere Mine, die etwa der Härte B entspricht. – Heute noch erhältliche Steno-Bleistifte sind der STAEDTLER Mars stenofix (HB) und der Faber-Castell 9008 Steno (HB, B und 2B). Daneben gibt es Steno-Füllfederhalter wie den Pelikan P470, dessen besonders elastische Feder ebenfalls die benötigte Modulation erlaubt.
Der Aufdruck des insgesamt gut verarbeiteten 664 nennt keinen Härtegrad, doch LYRA sagte mir, dass es B war. Die Mine ist sehr gut, bruchstabil und hat eine saubere Abgabe; das Holz lässt sich im Handspitzer und mit dem Kurbelspitzer gut spitzen.
Mehr zu Steno-Bleistiften gibt es bei pencil talk unter „Steno pencils: pencils with a job“ und „Another Steno Pencil – the Hardtmuth Steno 550“.
Danke an LYRA für die Informationen zum 664 STENO!
Nachtrag vom 19.10.10: Leider hat Pelikan den Stenofüllfederhalter P470 bereits Mitte 2009 aus dem Sortiment genommen.
Klippkram
Klein, praktisch und hochwertig ist dieses praktische Zubehör, das 7 bis 14 mm dicke Stifte an Notizbüchern und anderem hält.
Die stramme Feder mit glatten Kanten klemmt zuverlässig an allem, was nicht dicker als drei Millimeter ist, und die gut verarbeitete, zu einem Ring geformte Flachspirale nimmt das Schreibgerät auf, ohne es zu verkratzen (im Bild der Bleistift Cretacolor 150 an einem Notizbuch von Hightide).
Der Stifthalter kostet gut 2 Euro und ist auch in Ausführungen für zwei und drei Stifte erhältlich.
Spitzer spitzen (4)
Einen interessanten Fund machte kürzlich Pencil Anna, eine sehr aufmerksame Leserin meines Weblogs, in einer Filiale der Drogerie-Kette Müller, und überraschte mich mit diesem zum Wochenende: Ein Dreifach-Behälterspitzer der Marke „TIKO“.
Aufgefallen war ihr an dem Modell der längste Schacht, und wie es sich zeigte, verbirgt sich darin ein Langkonus-Spitzer, auf den auch der kleine, in die Dose eingelegte Zettel hinweist. Die beiden anderen Schächte sind für Blei- und Farbstifte mit 6 bis 8 sowie 9 bis 12 mm Durchmesser vorgesehen.
Das Gerät trägt neben einzelner Ziffern drei aussagekräftige Kennzeichnungen. Am Einsatz finden sich „H.K. REG.NO. 0600172.1M005“ sowie „P.R.C. DESIGN NO. 200630051822.0“ und auf der Komponente für den Langkonus „TIKO“. Es fällt auf, dass der Doppelspitzer über geriffelte Griffmulden verfügt, also möglicherweise auch einzeln angeboten wird. Der Vergleich des Langkonus-Spitzers mit dem des „Paper and more“-Doppel-Behälterspitzers zeigt die exakte Überstimmung von Klinge, Schrauben und Befestigung – kein Wunder, hat der von REWE angebotene doch ebenfalls den Schriftzug „TIKO“. Bereits eine kurze Suche führt zur Wella Plastic Manufactory Limited, wo nicht nur diese beiden, sondern noch zahlreiche andere Spitzer und verwandte Produkte aufgeführt werden (darunter eine Kurbelspitzmaschine, in deren Spänebebehälter ein einfacher Handspitzer sitzt). Weitere Details liefert die globale Artikelidentnummer (GTIN, ehemals EAN) auf dem am Boden des Spitzers angebrachten Aufkleber; die Suche nach dieser im GEPIR (Global GS1 Electronic Party Information Registry) führt zu VALORO, einem Anbieter von Schreibwaren und Schulbedarf in Zirndorf. – Aber genug dazu und zurück zur Funktion des Geräts.
Der Langkonus-Spitzer im TIKO liefert am STABILO Opera 285 eine sehr saubere Spitze und hat in meinen gründlichen Tests die Mine nicht ein einziges Mal abgebrochen. Der Griff zur Messschraube bestätigt das Spitzergebnis des TIKO noch auf eine andere Weise, denn mit einer durchschnittlichen Dicke des Spans von 0,26 mm geht er vergleichsweise sparsam zu Werke.
Auch im direkten Vergleich mit dem KUM 400-5L und dem Carl Decade DE-100 macht der TIKO eine sehr gute Figur und kann überzeugen. Da man die gerade einmal 35 × 15 × 11 mm große Komponente sogar separat nutzen kann, bekommt man mit dem TIKO zudem den mit Abstand kleinsten Langkonus-Spitzer, der mir bisher untergekommen ist.
Die beiden anderen Schächte bieten das von den üblichen Spitzern bekannte Ergebnis und halten sich mit einem Spitzwinkel von 22° (Langkonus: etwa 17°) an die vom ISZ, dem Industrieverband Schreiben, Zeichen und Kreatives Gestalten e. V. mit Sitz in Nürnberg, ausgesprochenen Empfehlung.
Vielen Dank an Pencil Anna für diesen Spitzer!
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Markiges Marketing (10)
Teuflisch gut gewesen sein muss die „Bleistiftschärfmaschine Jupiter“, wenn man dieser 43 × 58 mm großen Reklamemarke Glauben schenken darf. Die wohl bekannteste deutsche Spitzmaschine, patentiert 1896 und hergestellt von Guhl & Harbeck in Hamburg, brachte Blei- und Farbstifte mittels eines Scheibenfräsers in Form. Angetrieben wurde dieser durch eine Kurbel, die beim ersten Modell, der „Jupiter 0“, noch vorne, ab der „Jupiter 1“ (1905) jedoch an der Seite saß. Wie die hervorragende „Kleine Anspitzer-Fibel“ von Leonhard Dingwerth informiert, folgte 1928 die „Jupiter 2“; das Nachfolgemodell „Jupiter 2/51“ war bis Ende der 1960er Jahre auf dem Markt.
Beworben wurde der etwa 3 kg schwere und 35 cm lange Spitz-Gigant vor vielleicht 90 Jahren in gleich sechs Sprachen und zudem grafisch sehr aufwändig. So zeigt der genaue Blick, dass die Schrift von Hand erstellt wurde und manche Stifte im Hintergrund lesbare Kennzeichnungen tragen („Aldebaran“, „Notabene“, „Schwan“); dies verleiht der Marke in meinen Augen einen besonderen Charme. – Weitere bemerkenswerte Details und Fotos der „Jupiter“ gibt es hier und dort.
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Maß und Mittelpunkt
Hochwertiges Schreib- und Zeichengerät steigert die Freude an der Arbeit, verbessert die Qualität der Ergebnisse und ist durch nichts zu ersetzen. Ein gutes Beispiel dafür ist das praktische „Two in one“-Lineal des bekannten Herstellers RUMOLD, von dem auch der hier bereits vorgestellte Präzisionsmaßstab aus Birnbaumholz stammt.
Das mit 15- und mit 30-cm-Skala erhältliche Aluminium-Lineal, dessen Profil ein wenig an das einer Tragfläche erinnert, hat auf beiden Seiten eine metrische, blendfrei ablesbare Teilung, wobei der Nullpunkt auf der einen Seite am linken Ende und auf der anderen in der Mitte liegt; dies vereinfacht so manche Mess- und Zeichenaufgaben.
Für den rutschfesten Halt des für Schule und Büro gedachten Geräts sorgen zwei in das Metall eingelassene Gummilippen. – Die Schnittflächen könnten etwas glatter sein, doch ansonsten ist die Verarbeitung sehr gut und der Aufdruck widerstandsfähig.
Das kleine „Two in one“-Lineal, das unter der Bestellnummer 937015 geführt und in einer transparenten Schutzhülle für etwa 4 Euro angeboten wird, findet mit seiner Länge von 16 cm bequem in einem Mäppchen Platz und ist so immer zur Hand.
Fehlerfeger
Wer auch unterwegs die Vorzüge eines Zeichenbesens genießen möchte und dazu immer einen im herkömmlichen Format mitführt, kann aufatmen, denn jetzt gibt es einen kleinen Feger, der in seinem hölzernen Korpus obendrein einen Radierer beherbergt und so allen Bleischreibern zweifachen Nutzen bietet.
Gestaltet von Elder Ferreira Monteiro und gefertigt in der „Imaginären Manufaktur“ der Union Sozialer Einrichtungen gGmbH in Berlin vereinigt dieses nützliche, „LIMPO“ getaufte Utensil traditionelle Handwerkskunst mit zeitlosem, gradlinigem Design.
Das geschmackvolle Zubehör aus unbehandeltem Buchenholz mit Rosshaar-Besatz misst 95 × 26 × 17 mm, wiegt 27 g und kommt in einem schlichten Pappschuber, dessen Etikett mit ansprechender Typografie und ebensolcher Grafik über den Hersteller und das Produkt informiert; letzteres trägt keine Kennzeichnungen.
Der 63 × 21 × 12 mm große Radierer sitzt 42 mm tief und zuverlässig, aber nicht allzu fest. Interessant ist, dass seine Maße dem des (übrigens sehr guten) Läufer PLAST-0120 entsprechen, sich dieser also hervorragend als Ersatz eignet.
Der „LIMPO“ kostet gut 8 Euro; ich habe ihn bei Present & Correct erworben. – Danke an Stephen von pencil talk für den Hinweis auf dieses ungewöhnliche Produkt!
Nachtrag vom 23.10.09: Wie ich erfahren habe, kann man den „LIMPO“ und andere, ebenfalls attraktive und im Katalog aufgeführte Artikel der „Imaginären Manufaktur“ auch direkt von dort beziehen.