Ein in mehrfacher Hinsicht auffälliger und ungewöhnlicher Bleistift ist der 664 STENO von LYRA, der bis Mitte der 90er Jahre im Programm des fränkischen Herstellers war und noch heute manchmal in Restekisten anzutreffen ist.
Der in einem dem Leucht-Orange ähnlichen Farbton lackierte, runde und 17,5 cm lange 664 STENO ist mit 7 mm etwas dünner als ein Standard-Bleistift, hat aber ebenso wie dieser eine 2 mm dicke Mine. Die 2 cm lange Tauchkappe in gebrochenem Weiß deutet darauf hin, dass es sich hier um die erste Variante dieses Bleistifts handelt, denn zwischen 1991 und 1994 fiel sie weg. – Vorläufer des 664 war der bis in die 70er Jahre hinein angebotene LYRATO 665 mit goldfarbener Tauchkappe, den es in den Härtegraden HB, B und 2B gab; parallel zum 664 – zumindest von 1973 bis 1995 – führte LYRA den Orlow STENO 6331 mit goldfarbenem Käppchen und breitem schwarzen Ring in den Härten HB, B und 2B.
Der Folienprägedruck in stark kontrastierendem Metallic-Blau macht mit einer Ausnahme nur die notwendigsten Angaben. Neben dem Herstellungsland, der Nummer, dem Namen des Herstellers und dessen Sinnbild findet sich die Funktion des Stifts in Kurzschrift, d. h. in stenografischer Schreibung.
Die lange Geschichte der Stenografie geht bis ins erste vorchristliche Jahrhundert zurück und brachte 1924 mit der Deutschen Einheitskurzschrift den ersten deutschen Standard hervor; verbunden mit diesem sind Stenografieblock und -bleistift. Zur stenografischen Technik kann ich leider gar nichts sagen, und so beschränke ich mich auf ein paar Beispiele von meinem Vater, der diese faszinierende Kunst auf beneidenswerte Weise beherrscht.
Diesen Schriftzug zeigt auch der Aufdruck des LYRA 664 STENO.
Kleine Notiz am Rande: Warum sind Stenografie-Bleistifte eigentlich rund? Das Profil des hexagonalen Bleistifts wirkt in den haltenden Fingern wie eine Rastung und sorgt damit für bevorzugte Positionen in der Hand. Die in der Stenografie notwendigen Unterschiede in der Strichstärke machen es jedoch erforderlich, dass der Stift geringfügig axial gedreht werden und auch danach noch komfortabel gehalten werden kann. Ein runder Bleistift erfüllt diese Forderung am besten und strapaziert die Hand bei längerem Gebrauch weniger als ein sechsflächiger. Zum leichteren Schreiben der Verstärkungen haben Steno-Bleistifte oft eine etwas weichere Mine, die etwa der Härte B entspricht. – Heute noch erhältliche Steno-Bleistifte sind der STAEDTLER Mars stenofix (HB) und der Faber-Castell 9008 Steno (HB, B und 2B). Daneben gibt es Steno-Füllfederhalter wie den Pelikan P470, dessen besonders elastische Feder ebenfalls die benötigte Modulation erlaubt.
Der Aufdruck des insgesamt gut verarbeiteten 664 nennt keinen Härtegrad, doch LYRA sagte mir, dass es B war. Die Mine ist sehr gut, bruchstabil und hat eine saubere Abgabe; das Holz lässt sich im Handspitzer und mit dem Kurbelspitzer gut spitzen.
Mehr zu Steno-Bleistiften gibt es bei pencil talk unter „Steno pencils: pencils with a job“ und „Another Steno Pencil – the Hardtmuth Steno 550“.
Danke an LYRA für die Informationen zum 664 STENO!
Nachtrag vom 19.10.10: Leider hat Pelikan den Stenofüllfederhalter P470 bereits Mitte 2009 aus dem Sortiment genommen.
Anzumerken ist, daß es heutzutage fast nirgends mehr Stenoblöcke zu kaufen gibt…
junges ungeschultes Verkaufspersonal kennt diese Blöcke sowieso nicht und empfiehlt, etwas zu kopieren und dann spiralisieren zu lassen ;=(
Der Vorteil an der Oberkante spiralisierter Blöcke egal welcher Größe ist in Deutschland noch nicht erkannt oder vergessen
nur wenige wirkliche Fachgeschäfte wie z.B. Büromarkt Hansen am Schulterblatt in Hamburg führen noch diese Blöcke, habe mir trotzdem einen Vorrat davon angelegt
es schreibt sich so gut auf diesem „mürben“ Papier und es läßt sich so schnell weiterblättern…
Stimmt – Blöcke mit der Spirale an der Oberkante sind wirklich praktisch, doch mir ist schon lange keiner mehr untergekommen, der größer als A6 war.
Mit den Fachgeschäften verschwinden auch die nicht ganz alltäglichen Artikel, und so wird es in Zukunft sicher noch mehr Produkte geben, nach denen man vergeblich fragt. Obendrein bedaure ich, dass dabei auch Wissen verlorengeht – aber jetzt kommt wieder der exzessive Nostalgiker in mir raus … ;-)
Bei Otto-Office sind noch klassische A5-Stenoblöcke von Landré zu haben (Recycling-Papier). Als Alternative können dank Mittellinie auch Vokabelhefte dienen, v.a. wenn meine seine Steno-Notate archivieren möchte.
Meine Mutter, Bürokauffrau der alten Schule, hatte immer einen Stapel Stenoblöcke plus zugehöriger Bleistifte in einer großen Schachtel parat. Als Kind habe ich diese Blöcke geliebt, das perfekte Beschreibmaterial für Kugelschreiber, ähnlich dem Zeitungspapier.
Danke für den Hinweis und das Detail aus Ihrer Kindheit! Wie ich gerade sehen konnte, bietet Landré noch vier Steno-Blöcke an. Ich habe ebenfalls angenehme Erinnerungen an das Papier – die raue, faserige Oberfläche fand ich irgendwie reizvoll (auch wenn die durch stärkeren Schreibdruck entstehende Wölbung des dünnen Papiers nicht so prickelnd war).
The stenographic script on the pencil is wonderful! And thank you for the explanation regarding steno leads – so they are softer after all? It must be tricky to balance the requisite softness with the need to keep sharpening to a minimum. This is a great post that I somehow managed to miss up till now…
I like the script on the pencil too! It is very unusual. – I am not sure if the leads of all stenographic pencils have been something special, i. e. had a different recipe than the leads of the standard pencils. Since the most important aspect of a stenographic pencil is its round diameter I wouldn’t be surprised if many manufacturers have just cased their standard leads differently (as far as I know the Staedtler Mars stenofix HB had the same lead as the Staedtler Mars Lumograph 100 HB).