Tag für Tag spitzt man den Bleistift und trägt dabei auch immer eine gehörige Portion Graphit ab. Doch wieviel genau? Oder anders herum gefragt: Wieviel von der Mine landet tatsächlich auf dem Papier?
Von links: Stangenradierer Tombow Mono zero, Notizbuch „Kompagnon“ von Brunnen, Radierer Tombow Mono, Pentel GraphGear 500, Bruynzeel 1605 (Bilder zum Vergrößern anklicken)
Für eine schnelle mathematische Betrachtung vereinfache ich wie folgt:
- Der Bleistift ist nicht werkseitig angespitzt.
- Der Stift wird immer senkrecht, also mit einem Winkel von 90° aufgesetzt.
- Die Spitze wird nicht verrundet.
- Es gibt keinen Verlust der Mine durch Bruch.
- Der Spitzvorgang ist sehr gut kontrollierbar.
- Die Mine wird vollständig ausgenutzt, d. h. es bleibt kein Bleistiftstummel übrig.
Nicht alle dieser Annahmen sind realistisch, aber dazu später mehr.
Das Szenario: Ich spitze den Bleistift (Minendurchmesser 2 mm) mit einem Standard-Spitzer (Spitzwinkel 22°) bis zu einem Minendurchmesser von 0,2 mm, schreibe die Mine bis zu einem Durchmesser von 1 mm herunter und spitze den Bleistift erneut. Da sich dieser Vorgang bis zum Ende des Bleistifts unverändert wiederholt, kann ich mich hier auf einen solchen Abschnitt beschränken. Dann betrachte ich das Volumen der kompletten Mine für diesen Abschnitt sowie das des zum Schreiben genutzten Minenanteils, der die Form eines Kegelstumpfes hat; der Quotient dieser Volumina liefert mir abschließend die Ausnutzung.
Die Daten in der Übersicht:
- Minenradius: R0 = 1 mm
- Spitzwinkel: φ = 22°, d. h. Winkel zwischen Kegelachse und Mantellinie α = 11°
- Startradius: r = 0,1 mm
- Endradius: R = 0,5 mm
- Länge des Abschnitts: h
- Volumen des zylindrischen Minenabschnitts: V0
- Volumen des genutzten Minenanteils V
- Ausnutzung: V/V0
Es gilt:
Mit den Formeln für den Kegelstumpf, den Zylinder und den genannten Werten ergibt sich eine Ausnutzung von V/V0 = 0,10 , d. h. nur 10 Prozent der Bleistiftmine werden wirklich genutzt! (Zum Vergleich: Druckbleistifte bringen es üblicherweise auf etwa 80, sparsame Modelle sogar auf knapp 98 Prozent.) Die weitere Betrachtung zeigt außerdem, dass dieser Wert vom Spitzwinkel unabhängig ist und man den Vorteil des langen Konus nicht prinzipiell mit einem höheren Materialverlust bezahlt.
Zurück zu den Annahmen vom Beginn: Drehe ich den Bleistift beim Schreiben, so kann ich auch noch mit einem größeren Endradius dünne Linien ziehen, doch der Verlust durch den übrigbleibenden Stummel gleicht dies wohl wieder mehr als aus. Hinzu kommt die recht geringe Kontrolle über den Spitzvorgang mit einem Handspitzer, der im Gegensatz zur Kurbelspitzmaschine keinen Anschlag kennt (eine Ausnahme ist der verstellbare DX4322 von DUX). Bei teureren Bleistiften empfiehlt sich daher der Griff zu sparsam arbeitenden Modellen.
Das praktische Tabellenwerkzeug aus Redmond ermöglicht mir, ganz flott die Ausnutzung für verschiedene Start- und Endradien zu ermitteln. Hier einige gerundete Werte:
|
r (mm) |
R (mm) |
Anmerkung |
Ausnutzung (%) |
1 |
0,1 |
0,2 |
früher und damit häufiger spitzen |
2 |
2 |
0,1 |
0,5 |
oben betrachteter Fall |
10 |
3 |
0,2 |
0,5 |
weniger spitz spitzen |
13 |
4 |
0,1 |
1 |
bis zum Holz schreiben |
37 |
5 |
0,2 |
1 |
3 und 4 kombiniert |
41 |
|
Diese Zahlen gelten jedoch nur unter den vereinfachenden Bedingungen, also u. a. bei vollständigem Aufbrauchen der Mine und ohne Verlust durch Minenbruch, so dass die tatsächliche Ausnutzung in der Praxis noch niedriger ist. – Ich frage mich, ob es schon einmal Ansätze gab, die Dicke der Bleistiftmine zu reduzieren (und wenn ja, warum dies nicht in die Praxis umgesetzt wurde), denn bereits bei einem Durchmesser von 1,5 mm und den erstgenannten Radien steigt die Ausnutzung von 10 auf über 18 Prozent.