Die interessante Geschichte der Schreibgeräte und ihres Gebrauchs aus dem Blickwinkel der digitalen Revolution präsentiert Dennis Baron in seinem Buch „A Better Pencil: Readers, Writers, and the Digital Revolution“, erschienen vor wenigen Wochen bei Oxford University Press.
Parallel zur technischen Entwicklung von den Anfängen der Schrift bis hin zur schriftlichen Kommunikation über das Internet beschreibt Baron auch die Ängste und Widerstände, die jede Neuerung begleitet haben, selbst wenn sie so klein waren wie z. B. der Radiergummi am Ende des Bleistifts. So warnte Plato 500 v. Chr. davor, dass die Verschriftlichung das Erinnerungsvermögen beeinträchtigt, der als „Unabomber“ bekannte Ted Kaczynski sorgte 18 Jahre lang für Terror gegen diejenigen, die er für die von ihm verhasste, technisierte Welt verantwortlich hielt, und der Neo-Luddit Kirkpatrick Sale zertrümmerte 1995 in bester Tradition vor großem Publikum einen Computer. Plato jedoch betrachtete die Schrift nur als Merkhilfe, nicht als Mittel der Verständigung, und Ted Kaczynski ließ sein Manifest durch eine große Zeitung verkünden und bediente sich somit dessen, was er bekämpfte.
Teilnehmer eines Kurses des Autors schrieben in Knetmasse und konnten so die Arbeit derjenigen nachempfinden, die 4000 Jahre zuvor ihre Zeichen in Lehm einbrachten; die dabei auftretenden Probleme sowie die (nicht nur hier angesprochene) Wechselwirkungen zwischen Werkzeug, Form und Inhalt legt Baron ebenso lebendig dar wie die wechselvolle und sehr holprige Entwicklung der computergestützten Textverarbeitung, bei der man erst recht spät an den Nutzer als Schreiber dachte.
Das Kapitel über den Bleistift hält u. a. bemerkenswerte Details über Henry David Thoreau parat, und ein anderes schaut auf unsere Mittel und Wege, erst handschriftlichem, dann gedrucktem und schließlich computergeneriertem Text zu vertrauen. – Die negative, gar apokalyptische Sicht auf E-Mail, Instant Messaging, Facebook und ähnlichem teilt der Autor nicht, ist sich aber der problematischen Aspekte dieser Techniken durchaus bewusst. Der Befürchtung, diese würden das Ende der Sprache, der Kommunikationskünste, der sozialen Beziehungen und damit letztendlich das der Zivilisation bedeuten, hält er Entwicklungen wie solche, die zu einer „Netiquette“ führten, entgegen.
Der analytische und humorvolle Stil des sehr kundigen Autors, der immer wieder plausible Argumente gegen den romantisierenden, verklärenden Umgang mit alter Technik anführt, gefällt mir ausgemacht gut, auch wenn ich als zuweilen irrationaler Bleistift-Nutzer, Freund des Transzendenten und latenter Luddit seine Ansichten nicht durchgehend teile.
Das gebundene Buch enthält zahlreiche, z. T. ungewöhnliche Schwarzweiß-Abbildungen, ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie ein Register und kostet knapp 18 Euro.
Danke an Viola für den Hinweis auf „A Better Pencil“!